Ohne Schlaf und ohne Geld trampen – Ecuador

Trampen in Ecuador
Trampen in Ecuador

Der peruanische Norden wirkte irgendwie gefährlich. Weiß auch nicht wieso. Die Leute waren sehr besorgt. Ich kam halb Zwölf in Tumbe an und wollte ans Ortsende laufen und dort trampen. Weit sollte es sein. Nagut. Ich hatte schon zwei Nächte ohne Schlaf hinter mir. Die dritte Nacht machte mir zu schaffen. Vernunft und Prinzip führten wieder mal eine wilde Diskussion. Sollte ich vielleicht einfach ein Taxi ans Ortsende nehmen…..Innerorts ist ja okay. Nagut. Allerdings lehnte der erste Taxifahrer ab, weil es ihm am Ortsende zu gefährlich war. TukTuk wollte viel Geld, dafür war ich zu geizig. Bis zur Grenze waren es aber nur noch wenige Kilometer. Ich gönnte mir letztendlich für 1,30€ ein Sammeltaxi. Das erschien mir effizienter als wegen ein paar Kilometern wieder zwei Stunden zu verlieren und in der sonderbaren Grenzgegend rumzulaufen. War mir heute nicht so danach. Normalerweise geb ich auf Gefahrenbekundungen nicht allzu viel, aber da ich schon fast 72 Stunden wach war, wollte ich in diesem Zustand keine kritischen Situationen erleben. Ich hatte also etwas Schiss.

Technische Fehler und Nachtlifts

Das Taxi sollte dann auch in die eigentliche Grenzstadt fahren. Als die Kreuzung nach Fronteira kam, wollte ich aussteigen und laufen. Die ließen mich aber nicht. Es sei ja so gefährlich und in der Stadt ist auch ne Grenze. Mas facil, viel einfacher. Jaja. Letztendlich landete ich an einer Brücke, Stadtmitte, mit einem schlafenden Beamten, konnte unbehelligt nach Ecuador laufen, aber kriegte dort keinen verfickten Stempel in meinen Passport. Den gabs nur an der anderen Grenze. Klassischer Fehler. Bei sowas dreh ich immer durch.

Meine Karte hatte ich liegenlassen, als wir das letzte mal Fisch gegessen haben. Da stand ich nun mitten drin. Wieder alles verkackt. Es gab also nur die Option nochmal ebend ein Taxi (innerorts) zu nehmen. Ich war zu gemütlich. Handelte noch einen billigen Preis aus, da ich noch 3 Dollar für Essen behalten wollte. Und Freitag Nacht 00:55 Uhr war ich endlich auf ecuadorianischem Boden. Die Nacht lag vor mir. Nicht mehr weit nach Quito und dann nur noch 1100km nach Bogota. Klingt nicht so, war aber irgendwie motivierend für mich.

Der erste Lift in Ecuador war mit der Polizei. Die Streife nahm mich zur nächsten Kontrolle mit. Dort hielten drei Lastwagen, ich fragte wohin, die meinten Mitnehmen läuft nicht, ich solle aber doch mal den Reisebus da drüben fragen. Das würde sicher gehen, wenn ich kein Geld hätte. Das machte ich. Ich ließ meinen ganzen Charme spielen und erwischte Fahrer und Fahrkartenfrau zusammen im Cockpit (sitzend). Sie willigten ein. Ich verstand zwar nicht wohin es ging, aber bekam einen Platz, Straße Richtung Bogota, geht klar. Busticket kostete eigentlich 8 Dollar. Fahrt dauerte vier Stunden. Auch in Nacht drei hatte ich meinen Nachtlift erwischt. Diese vier Stunden schlief ich in einem Bussitz und ihr glaubt nicht, wie komfortabel das war. Kurz nach Abfahrt Augen zu und im Morgengrauen aufgewacht.

Wieso verkack ich meine Route ständig?

Da fiel ich nun völligst zerstört aus dem Bus, mit drei Dollar in der Tasche und ohne Karte. Es war schon hell, perfekt zum weitertrampen. Erstmal checken wo wir sind. Und die erste Karte zeigte mir…..Guayaquil, Westküste Ecuador. What the…!?! Falsche Richtung. 600Km nach Quito. I fucked it up again….vom Weg abgekommen. Okay, keine Zeit verlieren, ich muss Boden gut machen. Letztendlich fand ich aber heraus, dass der Fehler nicht ganz so schlimm war, weil ich so nicht den direkten Weg durch die Berge nahm, sondern über die flache Ebene nach Quito fahren konnte. Vielleicht sogar schnellerer Weg.

Ecuador war wie ein südamerikanischer Außenposten der USA, ganz anders zu den Ländern zuvor. Überall amerikanische Autos, Dollar als Währung und gut ausgebaute Highways, die über klassische Auffahrten zu betrampen sind. Einige schnelle Lifts, ein bißchen Laufen und irgendwann gegen acht Uhr morgens stand ich am Ende irgendeiner Stadt mit schöner Trampstelle.

Kleines leckeres Street Food Frühstück in Ecuador.
Kleines leckeres Street Food Frühstück in Ecuador.

„Willst du wirklich hier essen und nicht lieber da drüben?“

Kurze Pause, da gab es Street Food. Musste ich ausprobieren. 1,50 Dollar für eine Schüssel voll Reis mit einer Art Curry/Gulasch und Kräutern. Erschien mir im Preis-Energie Verhältnis als sehr lohnenswert. Die Leute waren etwas skeptisch, ob ich denn wirklich hier Essen wollte? Sie deuteten auf ein Restaurant am anderen Ende der Straße. Ich lehnte dankend ab. Natürlich will ich hier Essen! Hier in eurem reudigen Kapuff für 1,50€. Und es war wirklich etwas reudig. Reudiger als ich es erwartet hatte.

Der gealterte Küchenchef schnappte sich ein Schälchen, welches mit anderen Schälchen in einem Wasserbad stand und noch alte Essenreste von dem Nutzer davor beinhaltete. Kurz abgespühlt mit Wasser, richtig sauber war es nicht, aber der Reis sollte das überdecken. Mit den Kräutern sah es auch echt gut aus, roch fantastisch. Die Soße konnte was. Ich fotographierte, da ich seit einiger Zeit Straßenfood dokumentiere und lies mich zum Essen nieder. Irgendwas war komisch an diesem Gericht, irgendeine Zutat war recht zäh. Dachte erst, es wäre fettiges Fleisch, aber irgendwann fand ich heraus, das alle Fleischstücke ziemlich zäh waren und nach Gummisohle geschmeckt haben. Das war wirklich sonderbar. Da war einfach kein geniessbares Stück dabei. Gegessen hab ich trotzdem alles. Habs ja schließlich bezahlt und brauchte die Energie zum trampen. Prinzipiell mach ich mir unterwegs auch um nichts anderes Gedanken, als meine Tour optimal und Effizient zu trampen. Objectives eben.

Einige kurze Lifts weitergetrampt, einmal nen schönen Pick-Up mit Ladefläche erwischt, der mir im sonst heißen Dschungelklima etwas Erfrischung versprach. Irgendwann hatte ich einen Fahrer der unbedingt wissen wollte, wieso ich diese Reise mache. Ich erklärte ihm, dass ich einmal um die Welt trampen will. Ja, aber warum? Weil ich einmal um die Welt trampen will. Ja, aber warum diese Reise? Weil ich….  Hoffnungslos. Er wird es nicht verstehen. Nicht das letzte mal, dass ich diese Konversation haben werde. Ich weiß auch nicht, was daran nicht nachvollziehbar sei.

Der Mutti-Lift

Ortsende von St. Dominguez, ich trampe. Jeep mit zwei Frauen fährt vorbei, sie schauen mich an. Zwei Minuten später kehren sie um und laden mich ein. Manche Leute brauchen etwas länger um sich zu Entscheiden. Speziell mit meinen weiblichen Mitnehmerinnen passiert sowas schon ab und zu mal. Sie waren sehr herzlich, ich verstand zwar nur eine der Beiden, aber wir hatten eine gute Konversation in Spanisch.

Ob ich denn schon was gegessen hatte? Es war Mittag. Seit dem Ekelfood am Morgen hatte ich nichts mehr gehabt und auch nur noch 1,50$ in der Tasche. Irgendwie gefiel es mir, nach drei schlaflosen Nächten und dieser ätzend langsamen und langen Route dann noch den Schwierigkeitsgrad mit absoluter Armut zu erhöhen. Obwohl ich das sonst nicht so mag. Die beiden zögerten nicht lang und am nächtsen KFC bogen wir ab und es gab erstmal ein schönes Chicken Menü. Da sag ich natürlich nicht nein.

Ich war so hungrig und den viel zu großen Softdrink konnte ich garnicht schnell genug leeren. Die Nachtische (Butterkeks, yummi) hab ich von allen drei Menüs bekommen. Die beiden wollten ihre Kekse nicht. Essen schmeckt sowieso viel besser, wenn man hungrig ist und nicht weiß, wann es das Nächste gibt. Wir fuhren nach Quito, ich versuchte wieder etwas zu schlafen, aber meine Fahrerin raste dermaßen aggressiv die Serpentinen zur Stadt hoch, dass ich nur schwerlich zur Ruhe kam. Auf meiner verlorenen Karte war Quito nur ein langer gelber Fleck. Ich hatte schon Angst für der Durchfahrt, war aber froh noch vor Dunkelheit anzukommen. Städte nehmen immer soviel Zeit in Anspruch. Die Beiden haben meinen Plan verstanden und ließen mich an der Autobahn im nördlichen Teil raus. Super für mich. Letztendlich aber auch halb so wild, weil die Autobahn oberhalb der Stadt verlief und super zu betrampen war.

Quito Ausblick
Quito

Wasser?

Es war Nachmittag. Ich fragte in einer Tankstelle, ob die mir meine Wasserflasche auffüllen könnten. Wasser, ja haben wir hier im Kühlschrank. Ne Kollega, hab kein Geld. Er verwies mich auf den Wasserhahn am Klo. Das Wasser war so verchlort, dass es sogar milchig wurde. Also kein Wasser. Es gab noch ein zweites Klo außen, da war aber dasselbe Problem. Ich fragte zwischendurch Autos an der Tankstelle um irgendwie aus der Urbanzone rauszukommen. Der Restaurantchef hatte anscheinend gesehen, dass ich kein Wasser bekommen habe und Pfiff plötzlich nach mir, wie nach einem Hund. Ich drehte mich um und fragte was los sei. Ich sollte kommen. Danach gab es eine Flasche mit kühlem Sprudel für mich. Direkt aus dem Cola Automaten gezapft. Leckaschmatzifakus! Ich lief sodann auf der Stadtautobahn Richtung nächste Ampel, um mir etwas anzuhalten.

Taxi, mal wieder. Diesmal lange Diskussion. Keine Kohle. Wie keine Kohle? Ja, ich hab keine Kohle, kannst mich mitnehmen oder stehenlassen. Keine Kohle? Ne, Nada amigo. No tengo. Er ließ mich einsteigen. Dieses Gespräch führte sich die gesamte Fahrt fort. Er Begriff es einfach nicht. Er bot mir die Fahrt für ein paar Dollar an. Ich hatte noch 1,50$, die ich aber auf keinen Fall irgendeinem Taxi Missverständnis in den Rachen werfen würde. Meine Kommunikation war schließlich klar, entweder du nimmst mich mit, oder nicht. Aber ich hab kein Geld. Der Fahrer wurde etwas sauer, weil er es absolut nicht verstehen wollte. Ich solle ihm doch etwas Geld geben. Ja, hab aber keins. Hab Zigaretten. Ne, er raucht nicht. Nagut. Am Ende hat er trotzdem eine Kippe genommen und ich konnte ohne Zwischenfälle aussteigen. Standort kurz vor dem Flughafen an einer Tollstation.

Da war dieser Opa mit seinem rostigen Chevrolet. Ich hatte ihn schon an der Tanke vor der Toll-Station gesehen. Ich rannte, um ihn vor dem Bezahlen abzupassen. Etwas überrascht war ich von mir selbst, aber die Tramperinstinkte gingen mal wieder mit mir durch. Ich schrie regelrecht in sein offenes Fenster „Permissio, fahren sie in die und die Richtung?“. Er zeigte mir an, ich solle einsteigen. Der Opa war mega putzig. Sprach mich immer mit „Señor“ an. Das hat mir gut gefallen. Er hat ständig herzlich gelacht, als ich ihm von meiner Reise erzählt hatte. Wohlfühllifts. Lies mich auch an einer super Position raus.

Grenzerfahrung

Die Position war ein schöner Kreisel, der an meiner Ausfahrt allerdings von einigen Menschen besetzt war, die dort alles anhielte, was vorbeikam. Busse, Autos, Taxis. Und da waren recht viele Leute. Große Konkurrenz also. Ich ging einfach 50m weiter nach hinten, zog meine Reflektoren an, ergänzte noch eine warme Schicht unter meinen Anzug und trampte von da weiter. Mittlerweile setzten erste Verschleißerscheinungen ein. Die vierte Nacht auf der Straße brach an und mein Körper gab mir langsam zu erkennen, dass er ziemlich am Ende war.

Ich fing an zu frieren, hatte leichte Kopfschmerzen. Bald bekam ich meinen Lift. Es war ein guter Lift, 200km weiter nördlich, in Schlagdistanz zur Grenze. Im Auto machte sich allerdings ein fiebriges Gefühl in mir breit. Mir war plötzlich total heiß und ich fühlte mich sehr schwach. Durch das rumgekurve wurde es nicht besser. Wasser trinken. Dunkelheit. Da war es also. Mein Limit. Hatte mich schon gefragt, wie lange ich durchalten kann. Aber ich bin auch mit einem Kater gestartet. War vielleicht nicht der beste Anfang. Und der vorherige Tag im heißen ecuadorianischem Dschungel setzte mir noch etwas zu.

Mein Lift war vielleicht der erste Mensch, den ich wirklich 100% in Spanisch verstand. Er fuhr schnell, hatte ein sehr gutes Auto und wir sammelten noch seine Frau in der Stadt ein, bevor er mich dankenswerterweise am Ortsende an einer großen Tankstelle raus lies. Nach dem Aussteigen musste ich mich erstmal kurz sammeln. Es war 20:15 Uhr. Mir ging es immernoch recht schlecht, aber die Zeit drängte, da ich ja noch zur Grenze gelangen wollte und dann einen Nachtlift ins Landesinnere von Kolumbien anpeilte. An der Tankstelle fragte ich einige Autos. Wenn sie mich auf den Bus verwiesen, erklärte ich, dass ich kein Geld habe, was den Tatsachen entsprach. Seit den KFC Frauen am Nachmittag hatte ich nichts mehr gegessen. Ein junges Pärchen drückte mir ein paar Groschen in die Hand, die allerdings noch nichtmal für den Bus reichten. Danke.

Zur Grenze fahren

Irgendwann ein Pick-Up mit einem Haufen Menschen. Wo sie hinfahren, ach in meine Richtung, habt ihr noch was frei? Sie warteten anscheinend auf eine weitere Person und wenn die nicht kommen sollte, könnte ich mitfahren. Die Person letztendlich doch, aber mitgenommen haben sie mich trotzdem. Keine Ahnung wieso. Wir zwängten uns mit vier Menschen auf die Rückbank und los ging die Fahrt. Angenehmer Nebeneffekt: Die schienen mir keinerlei Beachtung zu schenken, was mir in meiner aktuellen Schwächephase auch sehr recht war. Ich konnte etwas entspannen, während alle Anderen angeregt diskutierten, lachten und offensichtlich eine Menge Spaß hatten. Es war ja auch Freitag Abend und sie fuhren wohl auf irgendeine Party.

Ich landete in irgendeinem kleinen Dorf 80km vor der Grenze. Kurz nach der Position gefragt und dann wieder an die Straße gestellt. Es war ein bißchen Verkehr, aber nicht viel. Ist auch nicht anders zu erwarten. Richtung Grenze dünnt es sich immer etwas aus. 17 Minuten sollte ich warten, bis mich ein Vater mit seinem rostigen Auto, einer überaus hübschen Tochter, sowie Sohn, welcher unmotiviert auf der Rückbank schlief, mitnahm. Der Lift war harte Arbeit. Erst angehalten, dann schon wieder beschleunigt. Ich musste in das Fenster hineinrufen, um die finale Aufmerksamkeit zu erlangen und das Gespräch eröffnen zu können. Der Vater war anfangs recht skeptisch und irritiert, wie so viele Menschen. Letztendlich haben sie mich allerdings bis zum Grenzposten gebracht. Es war 23:55 Uhr und ich verließ Ecuador. Willkommen in Kolumbien.

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