Traffic Exists – Hitchhiking Possible; (6) Das große Rennen von Beirut oder auch „Shitstorms at Starbucks“

Vor den libanesischen Bergen in Syrien.
Vor den libanesischen Bergen in Syrien.
Aus dem Archiv. Dieser Artikel erzählt von meiner Syrien Reise aus dem Jahr 2008.

Es war mitten einer meiner ersten Nächte in Syrien/Aleppo als das folgende Foto aufgenommen wurde. Muss irgendwann im Sommer 2008 gewesen sein. Wir waren gerade auf dem Weg zu einem Couchsurfer treffen gewesen und es gab irgendwelche Transportprobleme, an die ich micht mehr erinnern kann. Ralf und ich haben dann Autos angehalten um unserer Gruppe (immerhin 10-15 Menschen) Lifts zu organisieren. Letztendlich hat uns dann allesamt einer der großartigen Toyota Pick-Ups mitgenommen, die es damals überall in Syrien gab.

betrunken auf dem Pick Up
„Leicht angeheitert“ auf dem Pick Up trampen mit unseren tschechischen Freunden Pavel und Mira.

Schon meine Ankunft in Syrien gestaltete sich kurios. Die Idee der Reise entstand, weil Ralf mir im Jahr zuvor erzählt, dass er nach Syrien wollte. Dachte ich mir: „Yo, mach ich auch, hört sich gut an.“ Ich wusste er war auf dem Weg, hatte aber keine Infos wann er in Deutschland losgetrampt ist und wo er gerade steckt. In Aleppo betrat ich dann das Haus meines Couchsurfing Hosts und wer saß auf der Couch? Ralf. „Moin“ „Yo Moin, du auch hier?“ „Gerade vor 15 Minuten angekommen.“ Tja, manchmal ist die Welt wirklich klein. Mit dabei waren auch Pavel und Mira aus Tschechien, ebenfalls auf dem Foto.

Zurück zur Nacht auf dem Pick-Up. Wir waren alle schon etwas angeheitert, euphorisiert und hatten einen unterhaltsamen Abend. Die Idee war nach Beirut zu trampen am nächsten Tag. Als wir hörten, dass Pavel und Mira auch trampten, blieb uns in unserem jugendlichen Wahnsinn nichts anderes übrig, als die beiden Tschechen zu einem Rennen herauszufordern. Wir haben uns den ganzen Abend an dieser Idee aufgegeilt und ich kann mich noch gut erinnern, wie wir vier uns am morgen danach auf der Straße gegenüberstanden und uns gegenseitig anpöbelten und beleidigten. Wir waren eben in einer Competition!

Was erst später rauskam, dass die beiden Tschechen eigentlich gar keine richtigen Tramper waren, sondern nur einmal einen LKW getrampt hatten. Das war für die Route natürlich eher suboptimal. Zumal vor Reisen in den Libanon damals vom Auswärtigen Amt ausdrücklich gewarnt wurde. Die Strecke war auch nicht so einfach zu trampen. Aber das alles wussten wir an diesem Morgen noch nicht. Wir starteten nach Sonnenaufgang und Ralf und ich wurden wenig später von zwei Syrern zu einem sehr guten Frühstück mit viel Humus und Fladenbrot eingeladen. Das Olivenöl war ganz vorzüglich, werde ich nie vergessen. Mit einem kleinen Abstecher nach Hama, wo wir die alten Wasserräder anschauten, arbeiteten wir uns nach Süden vor und sahen alsbald die libanesischen Berge am Horizont.

Unser letzter Lift war ein Jordanier mit seiner Frau, die offensichtlich schon die ein oder andere Schönheitsoperation hinter sich hatte, sowie einem weiteren Mann, der zwar kein Englisch konnte, sich aber permanent mit uns unterhielt. Ziemlich lustiger Kerl auf jedenfall. Wir rasten in einem Höllentempo die Serpentinen runter nach Beirut. Es war eine der wenigen Fahrten in meinem Leben, wo ich wirklich Todesangst bekam, als auf der zweispurigen Straße bisweilen vier Autos nebeneinander ihren Weg über die steilen Straßen bahnten. Unser Fahrer kannte da auch nix.

Straße Richtung Libanon. Hier stoppten wir unseren finalen Lift.
Straße Richtung Libanon. Hier stoppten wir unseren finalen Lift.

Wir schafften es vor Einbruch der Dunkelheit nach Beirut und beim Aussteigen am Busbahnhof kam es noch zu einem kleinen Streit. Unser Fahrer meinte auf einmal er sei ein Taxi, verwies auf einen längst verblasste Schriftzug an seiner Tür und forderte uns auf ihm Geld zu geben. Ralfs Stunde ward geschlagen, da er so konsequent wie niemand Anderes jeglichen bezahlten Transport ablehnte. Wir waren ja schließlich Tramper. Es folgte eine knallharte Diskussion. Die beiden bildeten ein gutes Paar. Der Eine wütend und wild mit den Armen fuchtelnd, der Andere gelassen und mit einer wohl durchdachten Sturheit, sodass bald klar war, dass hier niemand irgendwas bezahlt.

Nachdem wir endlich unsere Rucksäcke in der Hand hatten, machten wir uns auf zu unserem Treffpunkt. Wir fragten den ersten Soldaten nach dem Weg und der kriegte sich bei unserem Anblick garnicht mehr ein: „Ah, you are the two germans. You lost the race!“. Verdammt, die Tschechen hatten es anscheinend vor uns geschafft. Wir waren enttäuscht. Wie hatten die das nur geschafft? Letztendlich konnten wir unseren Sieg dann aber doch noch feiern. Mira und Pavel hatten einen Bus genommen an der Grenze. Das hatte eine Disqualifizierung zur Folge. Als Lohn sollten Sie uns zwei Bier ausgeben, die wir allerdings bis heute nicht bekommen haben.

Am nächsten Tag schauten wir uns Beirut an. Irgendwann verschwanden Mira und Pavel spurlos. Wir warteten lange auf sie, aber sie waren weg. Ich bekam später eine SMS von Mira: „Durchfall as fuck! Sorry guys, we had shitstorms at Starbucks. See you in the hotel.“ Wir hatten mussten noch Jahre später über Miras Denglish lachen. Epische SMS. Das kam wohl von dem Falaffel, den die beiden am Vortag an der Grenze gegessen haben. Bei den weichen Knien, die Mira auf dem Foto zeigte, hätte man sich das wohl schon denken können.

Shitstorm alert bei Mira. Kurz vor dem großen Blast. Seine Beine sind schon gekrümmt.
Shitstorm alert bei Mira. Kurz vor dem großen Blast. Seine Beine sind schon gekrümmt.

Ralf hat es am nächsten Tag auch erwischt. Es war so schlimm, dass er sich sogar einverstanden erklärte, einen Bus zurück nach Aleppo zu nehmen. Ein seltenes Ereignis. Good old Syria.

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