Es war also so weit. Meine letzte 4000km Passage in Südamerika sollte beginnen. Von Cusco/Peru nach Bogota/Kolumbien. Ich hatte mich vorher um Couchsurfer in Bogota gekümmert. Ganz neue Erfahrung für mich in, dass Menschen antworten und mich sogar hosten können. Ich sollte erstmal bei einer Chinesin unterkommen und sie schrieb mir, dass sie recht coole Veranstaltungen für das kommende Wochenende anstehen hat. Bogota…Party…das wollte ich nicht verpassen.
Trampen muss gut geplant sein
Ich startete Dienstag, gemütlich gegen Mittag. 4000 km sollten doch bis Freitag drin sein mit einem guten Run. Oder wenigstens bis Samstag. Der Routenplan war durchkalkuliert, ich hab mir eine gute Karte gekauft, noch ein Käse-Spiegelei Sandwich auf dem örtlichen Markt mitgenommen und bin aufgebrochen zu meiner letzten Mittelstrecke in Südamerika. Mit einem meiner unzähligen Taxilifts ging es ans Stadtende. Netter Kerl, sprach etwas Englisch und wir haben uns gut verstanden. Seit Bolivien mache ich keinen Unterschied mehr und trampe einfach alles was sich anbietet. Mein nächster Lift war in einem LKW mit einem Fahrer Namens William. Er erklärte mir, dass es in der Nacht verboten sei Tramper mitzunehmen. Wußte ich nicht.
Wir sammelten eine andere Tramperin auf. Die kleine war zarte 15 Jahre und saß am Straßenrand, während sie unmotiviert mit ihrer Hand winkte. Wir brachten sie zu ihrer Mutter, die Choclo am Straßenrand verkaufte. Eine Art gekochter Maiskolben, nur mit größeren Körnern. William kaufte zwei Choclo´s mit einem Stück Käse und wir fuhren weiter. Die Straße war langsam, schlängelte sich um die Berge. Ich kannte das ja schon. Meine Karte gab mir zu erkennen, dass dies auch die nächsten 600km so bleiben sollte. Und die Nacht lag vor mir.
Nachttrampen in Peru
Gegen Dämmerung landete ich an einer Tanke und machte eine kurze Pause. Wasservorräte auffüllen, Tortilla essen. Da war diese Gruppe älterer Menschen mit einem Pick-Up. Wo sie denn hinfahren? Nasca? Oh kann ich mit? Nasca war 600km entfernt und bedeutete Zugang zur großen Autobahn Richtung Lima. Der perfekte Nachtlift. Leider waren sie etwas skeptisch. Lange diskutiert. Auf der Ladefläche waren Hühner und ich konnte nicht drauf, weil 200m weiter Polizeikontrolle war und da hätte es Probleme gegeben. Naja, dann eben nicht. Die Nacht ist noch jung, also lief ich an der Polizei vorbei in die Dunkelheit und begann mein Nachttrampen.
Während ich wartete hielt ein voll bepacktes Auto an der Gegenseite, blieb stehen, Licht aus, warten. Die hatten wohl keinen Bock auf Kontrolle. Als ein Taxi anhielt, kam der Fahrer des wartenden Autos zu uns kam, um sich über die Kontrolle zu informieren. Wieviele Autos, welche Dokumente werden verlangt, etc… Letztendlich lud er seine Reisegemeinschaft aus und fuhr zurück. Mein Lift? Fehlanzeige. Er wollte Geld, ebenso wie das Taxi zuvor. Einen Lift machte ich trotzdem noch klar. Mit einem Truck. Es war 22:00 Uhr. Wenig Verkehr. Ich hatte es den ganzen Tag schon im Urin, dass dies eine harte Nacht werden würde. Das ist immer so, wenn man den Tag zu gemütlich angeht.
Nachdem ich etwas am Ortsende gewartet habe, lief ich in die Dunkelheit. Es war heller Vollmond und die Straße schlängelte sich entlang eines Flusses durch ein Tal. Eigentlich ganz schön hier für einen Nachtspaziergang. Ab und zu kamen LKW´s und Autos, aber keiner hielt an. Nach etwa 1,5 Stunden stand ich wieder mal für 30 Sekunden, um den nächsten LKW zu trampen. Helle Kleidung, Reflektoren, alles dran. Er kommt auf mich zu und fängt auf einmal an zu hupen, als wenn es kein Morgen mehr gebe. Diese Art von LKW-Hupen, welches dir mit beiden Beinen ins Trommelfell springt. Ich war erstmal erschrocken. Dann wütend. Aber: Das hupen hat nicht nur mich erschrocken, sondern auch ein paar Hunde, die in einem Haus 100m weiter wohnten.
Nächtliche Treibjagd
Hunde, ja. Die nerven bisweilen, sind aber nie wirklich gefährlich. Diesmal war es aber etwas anders. Hinter dem Zaun sind die regelrecht durchgedreht und erst recht, als sie mich vorbeilaufen sehen haben. Ich bin unbeeindruckt weitergelaufen. Mach ich immer so. Der Besitzer dachte sich aber anscheinend nach 2 Minuten: „Lass ich sie mal gucken was los ist.“ und ließ sie laufen. Ich war schon ein gutes Stück weiter, als ich die Straße heraufblickte und diese Hunde auf mich zulaufen sehen habe. Boah, verzieht euch. Zum Glück gibt es mit Hunden ein Gesetz, die laufen solange auf euch zu, bis du sie anschaust. Sobald sie Augenkontakt bemerken, werden sie etwas langsamer oder bleiben stehen. Schisser. Trotzdem waren meine Nerven etwas strapaziert. 500m weiter dasselbe Spiel. Diesmal war es aber nur ein Hund, der war jedoch groß. Wirklich groß. Wollte sein Revier verteidigen. Fair enough. Ich hatte aber langsam die Schnauze voll vom weiterlaufen. Zum Glück kam eine Peaje, mitten im nirgendwo. Hell erleuchtet! Sehr Geil!
Der Wachmann an der Peaje begutachtete mich erstmal kritisch, fragte mich aus, wollte meinen Reisepass sehen. Alles erklärt, am Ende sogar mein Logbuch gezeigt und er war amüsiert. Verkehr wenig. Ich wurde langsam müde. Hatte die Nacht vorher ein getrunken und das machte sich jetzt bemerkbar. Da war dieser Bürostuhl des Wachmanns. Irgendwann hab ich mich in diesen einfach hineingesetzt, vorher noch seine Taschenlampe auf den Boden gelegt und ein wenig die Augen geschlossen. Vielleicht war es diese Dreistigkeit, aber der Wachmann gab mir gegen 01:30 Uhr zu erkennen, dass ich noch eine Stunde hier bleiben könne, aber dann weiterlaufen müsste. Die Damen aus dem Bezahlhäuschen wollten das nicht und es sowieso nicht erlaubt sei, dass Personen an der Peaje sind. Aha. Jaja, schon klar. Ich reg mich über sowas ja garnicht mehr auf. Kenne solche Sinnlosregeln ja aus Deutschland. Gut, dann noch eine Stunde mehr. Versuch ich nochmal 20 Minuten Power-Nap zu kriegen.
Mit Koka übers Hochplateau
Ich bin wieder eingenickt. Irgendwann aufgewacht, erste Wahrnehmung ein LKW in meine Richtung. Tramperreflex, sofort aufstehen, zum Fenster laufen, fragen ob die einen Platz für mich haben. Ich hab da garnicht nachgedacht, zum Glück sprach mein Unterbewusstsein in der richtigen Sprache. Und sie hatten einen Platz für mich! Nachtlift nach Nasca! Es war von Anfang an mein Plan und alles hat sich mal wieder bestätigt.
Die beiden Jungs fuhren in einem Kleinlaster und der Beifahrer war so etwas wie der Ansager bei einer Rally. Vor jeder Kurve kam von seiner Seite ein „Curva.“, um den Fahrer Wach zu halten. Die Backen hatten die beiden voller Koka und zwischendurch haben die sich noch irgendein Zeug in die Nase geschmiert. Irgendwann gegen 5 Uhr morgens, wir waren mittlerweile auf dem Hochplateau, hielten wir an, jeder hat ein Deckchen bekommen und es gab eine Stunde Schlaf im Autositz.
Die Nachtfahrt war überaus schön. Der Mond erleuchtete die bergige Umgebung. Irgendwann zogen Dicke Nebelfelder auf und hüllten das gesammte Plateau in einen weißen Schleier, der nur von einzelnen Bergspitzen durchbrochen wurde. Hinter jedem Hügel erwartete uns ein neues Panorama, bevor wir in die weißen Wolkenfelder eintauchten, um das nächste Tal zu durchqueren. Wir fuhren recht schnell, bewegten uns aber trotzdem langsam. Irgendwann morgens gegen 7:30 hielten wir an, um zu Frühstücken. 150Km vor Nasca. Das war also mein Nachtlift, da sitze ich 7 Stunden in dem Auto und trotzdem sind wir noch 3 Stunden von Nasca entfernt. Weitere Ernüchterung folgte an der nächste Baustelle. Alles stand still…wann….wann sollte es weitergehen? In zwei Stunden, hab ich das richtig gehört? Willkommen in Südamerika. Nagut. Relax Stefan. Party am Freitag ist abgehakt, aber vielleicht am Samstag…..aber erstmal warten hier in der Morgensonne.
Luiz der Bombero
In der Warteschlange macht ich mir gleich den nächsten Lift klar. Ein schneller komfortabler Nissan Pick-Up mit einem Feuerwehrmann aus Lima. Luiz war sein Name. Luiz war ein feiner Kerl, fuhr wie ein junger Gott und hatte noch zwei peruanische Bauern hinten drin, die wir noch innerhalb der Baustelle abluden. Der Verkehr startet etwas früher als angekündigt und wir machten uns auf den Weg in die Küstenregion. Weg von diesen elendig, langsamen Bergstraßen.
Wir luden einen anderen Bauern auf dem Weg ein. Er hatte einige Plastikeimer dabei, gestikulierte wild schimpfend, als wir anhielten. Macht für mich alles keinen Sinn, aber er stand wohl schon eine Weile. Als er Einstieg erfüllte sich das Auto sofort mit einem Geruch von sauren Gurken. Zwischendurch kam eine Wolke aus Joghurt dazu. Aber es war nicht wirklich Joghurt. Eher wie ein Schaf, was in ein Joghurt Fass gefallen ist, einen Tag in der prallen Sonne steht und sich anschließend auf dein Gesicht setzt. Ergänzt wurde dies durch dezente Schmatzgeräusche und gelegentliches Rülpsen. Währenddessen rasten wir über kurvige Bergstraßen zum Meer hinunter, überholten LKW´s und lieferten uns kleine Scharmützel mit anderen Pick-Ups. Zwischendurch immer wieder dieser Joghurtgeruch mit Schmatzen untermalt. Mir wurde etwas flau im Magen.
Der Ausstieg unseres Opas sorgte umgehend für eine Verbesserung des Klimas. Während aus dem Radio „November Rain“ von Guns´n Roses zu hören war, bewegten wir uns endlich auf einer ebenen Autobahn. Luiz war so nett sogar noch kurz bei den berühmten La Lineas de Nasca anzuhalten und mir die Aussichtsplattform zu zeigen. Jahrtausende alte Steinformationen in der Wüste, wollte ich eigentlich besuchen, aber um die wirklich zu begreifen, muss man einen Flug buchen und drüber fliegen. 18:19 Uhr sollten wir in Lima sein. Gute Zeit, so kurz vor der Nacht. Mein Plan war: Irgendwie durch Lima durchkommen und mich dann Nachts mit dem abgehenden Stadtverkehr nach Norden spülen zu lassen. Tankstelle ausgestiegen. Zweites Auto gefragt, war ein argentinisches Pärchen: Fahrt ihr nach Norden durch Lima? Ja. Oh, habt ihr Platz? Ja. Echt, kann ich mitfahren? Ja, klar. BÄM! Nächster Lift und genau den den ich gebraucht habe! Alles lief nach Plan. Fast…..