Trampen in Spanien (2)

Prolog

Spanien hat in Tramperkreisen keine sehr gute Reputation. Völlig zurecht. Trampen in Spanien läuft ein bißchen anders, als im Rest von Europe. Auf meinem Weg von Norden bis runter nach Gibraltar sollte meine Geduld und Erfahrung auf eine harte Probe gestellt werden. Spanien war zäh und eine sehr harte Nuß. Trotzdem durchgetrampt, auch wenn ich zwischenzeitlich aus lauter Frust und Verzweiflung schon daran dachte einen Bus zu nehmen.

Meine Route

Die gesamte Ostküste von Barcelona nach Gibraltar. Zwischendurch hätte ich einen LKW von Barcelona nach Madrid liften können, hab mich aber dummerweise dagegen entschieden. Rückblickend ein großer Fehler.

Update 2017: Ich war nun noch einmal eine größere Strecke in Spanien unterwegs. Ich bin von Madrid nach Sevilla getrampt und anschließend noch etwas an der Küste entlang. Diesmal sprach ich Spanisch und habe mich auf das Trampen anders vorbereitet. Insgesamt lief es eigentlich ganz gut. Aber das werde ich als Kontrast in diesen Artikel einbauen.





Menschen und generelles zum Trampen in Spanien

Für mich war auffällig, dass auf den spanischen Straßen nur wenige junge Menschen unterwegs waren, ebenso wenig Frauen, dafür aber viele ältere Leute und Geschäftsreisende. Viele ignorieren einen am Straßenrand und ich denke, das liegt auch an der großen Dichte von älteren Personen, die keinen Bock auf Tramper haben. Aber das nur zu meiner Theorie. Die Zielgruppe ist auf jedenfall nicht die Leichteste.

Aber warum läuft Trampen in Spanien so schlecht? Dieser Frage bin ich die letzten Jahre nachgegangen. Ein weiterer Erklärungsversuch ist folgender: Zu der Zeit als Trampen auf der ganzen Welt populär geworden ist, herrschte in Spanien eine Militärdiktatur und daher kam die Hippie Welle dort nicht so stark an, wie bspw. in den nordeuropäischen Ländern.

Desweiteren muss hier noch der Fall drei Mädchen von Alcacer erwähnt werden, welcher meiner Meinung nach einer der schlüssigsten Gründe für den Verfall der Trampkultur in Spanien sein könnte. 1992 sind drei Mädchen auf dem Weg in die Disco entführt worden und danach vergewaltigt, gefoltert und getötet worden. Der ganze Fall wird bei Wikipedia als einer der dunkelsten Kriminalfälle in der Geschichte Spaniens bezeichnet. Ohne hier auf die Theorien und Hintergründe näher einzugehen (z.B. Involvierung höchster politischer Zirkel in Spanien) will ich kurz beschreiben, wieso die Auswirkungen auf das Trampen in Spanien durch diesen Fall so immens gewesen sein könnten. Als die drei Mädchen entführt worden sind, liefen im nationalen Fernsehen wochenlang berichte über das Verschwinden und die Suche. Als die Mädchen letztendlich gefunden wurden, passierte dasselbe während der Aufarbeitung und ebenfalls während des Prozesses gegen einen der Täter (der Andere ist immernoch einer der am meistgeuchtesten Verbrecher bei Interpol). Der Fall lief über mehrere Monate hoch und runter in den Spanischen Medien. Er wird als der Zenith des spanischen Trash-TV’s bezeichnet. Was auch immer das heißen soll. Wichtig ist aber eines: Dieses schreckliche Verbrechen wurde stets mit Trampen in Spanien in Verbindung gebracht. Und hierdurch hat Trampen wohl eine sehr sehr schlechte Reputation bekommen. Schreckliche Geschichte. Ist Trampen in Spanien deswegen gefährlicher als anderwo? Ich denke nicht.

Straßen

Das Straßennetz in Spanien ist eine Sache für sich. Prinzipiell habe ich mich auf meiner Route auf drei verschiedenen Straßenarten fortbewegt. Die kostenpflichtige Autobahn (AP – Autopista), die normale Autobahn und die Nationalstraße (N). Letztere gingen recht gut zum trampen, allerdings wurde die Nationalstraße spätestens ab Malaga zu einer einzig zusammenhängenden Stadt und daher auch tramptechnisch nicht zu empfehlen. Die Autobahnen verlaufen teilweise parallel, was eine geordnete Streckenführung etwas schwierig macht, da man nie weiß, wo genau der Lift nun langfährt.

Taktik für Trampen in Spanien

Meine übliche Taktik mich über Raststätten fortzubewegen, war in Spanien nur schwer möglich. Was einer Raststätte im deutschen Verkehrsraum am ähnlichsten ist, sind die „areal de servicios“ auf den AP´s. Auf den normalen Autobahnen befindet sich an fast jeder Ausfahrt eine Tankstelle, die nur schwer von der Raststättenkennzeichnung zu unterscheiden ist. Dies hat zur Folge, dass man sich von einer schlecht frequentierten Tankstelle zur nächsten hangelt. Das Trampen über die Raststätten auf den Bezahlautobahnen geht ganz gut, jedoch fahren die meisten Autos irgendwann auf die normale Autobahn und es eröffnet sich wieder das oben genannte Problem.

Prinzipiell denke ich aber, dass eine sinnvolle Taktik für die Spaniendurchquerung ist, schon in Frankreich nach long-distance-lifts Ausschau zu halten. Ich bin vor dieser Tour zwei mal durch Spanien und zurück und hatte immer ein Auto oder LKW, was mich die komplette Transitstrecke mitgenommen hat.

Eigentlich ist die Verkehrsplanung in Spanien auch gut auf Tramper eingestellt, da an fast jeder Autobahn-Auffahrt ein Kreisel und ein Standstreifen zur Positionierung vorhanden ist. Allerdings unterscheiden sich die Standzeiten immens zu denen in Deutschland. Zum Vergleich: In Deutschland stehe ich durchschnittlich 5-10 Minuten an einer Auffahrt, in Spanien waren es (fast) immer mindesten 60 Minuten + x. Liegt definitiv an den Menschen und nicht an den äußeren Bedingungen.

Und nach zwei Jahren muss ich folgendes hinzu fügen: Wenn ihr in Spanien Trampen wollt, dann geht das am besten mit Spanisch. Klingt etwas banal, allerdings ist meine Tramperfahrung um einiges besser geworden, seitdem ich Spanisch spreche. Ich benutze dieselbe Taktik wie in Deutschland und spreche die Menschen an der Tankstelle an. Prinzipiell sind die Spanier auch ganz nett und gar nicht so negativ gegenüber Trampern  eingestellt. Das Trampen hat sogar etwas Spaß gemacht, weil man die Sprachbarriere nicht mehr und ich somit einen besseren Zugang zu den Menschen hatte.

Besonderheiten

Funny fact: Auch wenn mehr als genug zum Trampen ist: Viele Spanier halten mitten auf der Straße an und keiner weiß warum.

Trampen auf kleineren Straßen geht in Spanien genauso gut wie überall anders auf der Welt. Und überall findet sich ein schöner Kreisverkehr mit Haltefläche.

Die Costa del Sol hat eine wunderschöne Küstenstraße. Insbesondere zwischen Almeria und Malaga bietet es sich an die Nationalstraße abzutrampen. Sie schlängelt sich wunderbar an der Steilküste entlang und ist ein echtes Fahrerlebnis.

Was auch zum Erscheinungsbild an der Südküste gehört, sind die Gewächshäuser, welche sich vor und hinter Almeria zwischen den Bergen und der Küste versammeln. Es sieht aus wie ein riesiger Slum. Dort wachsen die Wintertomaten/-paprika/-Gurken für den europäischen Markt. So häßlich diese ganze Szenerie erscheint, ist sie gewissermaßen auch faszinierend. Ein Prachtstück kapitalisischen Produktionsfetisches. Gefühlte 150km geht das so.




Auch im Spätherbst ist ein Sonnenschutz dringend zu empfehlen. Diesen Oktober waren in Malaga tlw. 35° und die pralle Mittagssonne 60-120 Minuten an einer Auffahrt ohne Schatten zu erfahren, ist kein Spaß.

Fotos

2 Comments

  • Heidewitzka Stefan,

    schön zu hören, wo die Winde dich stehen lassen oder hintreiben. Ich wünsche dir, ein gelingendes Weiterkommen und werde weiter deinen Blog verfolgen. Gestern habe ich mit ein paar Freunden eine „Doku“ über ein Mädchen gesehen, dass alleine die Welt umsegelt hat (über 2 Jahre), und da musste ich gleich an dich denken (so wie jeden montag zum bierquiz). Und wenn man da 3 Wochen auf hoher See rumtingelt, und permanent das fast gleiche Bild sieht, das klingt echt langatmig! Hast du wenigstens ein Buch mit dabei gehabt? Oder ne Skatkarte? Biste du schon drüben (nagut, wahrscheinlich in dem moment, in dem du antwortest, ja)? Und wenn ich hier was von 35° lese, da werde ich gleich ganz neidisch und von fernweh gestichelt, weil heute hier in Schkeuditz die ersten 2cm Schnee gefallen sind. Ich wünsche dir vergnügliches Fortschreiten!

    Sascha

    • Hey Sascha, nicht neidisch werden, ich vermisse dafür den Winter auf der anderen Seite. Das mit dem Fahrrad hängt mir übrigens immernoch im Kopf. Mitlerweile bin ich schon richtig heiß auf Fahrrad fahren. Ich denke im Spätsommer, wenn ich im Norden bin, werde ich mir ein Fahrrad zulegen und damit durch Mexico fahren. Das ist zumindest gerade der Plan. September/Oktober oder so. Grüße in die Heimat!

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