Irgendwann habe ich aus Spaß angefangen in Leipzig zu trampen. Meist Nachts am Wochenende, wenn ich die letzte Bahn verpasst habe und nicht mehr laufen wollte. Überraschenderweise funktionierte das sehr gut. Selbst an einer dunklen Ecke mit schwarzen Klamotten am Hauptzubringer in die Innenstadt habe ich meine Lifts gekriegt. Seither trampe ich regelmäßig auch in Städten und Urbanzonen. Insbesondere auf meinen Langstreckentouren ist dies immer wieder gefordert, wenn ich durch die großen Städte wie Quito, Lima, Guatemala City, und Mexico City musste. Es ist nicht immer einfach, aber ich möchte euch erklären, wie ich Städte durchquere.
Natürlich muss man nicht trampen. Es gibt immer öffentliche Verkehrsmittel (außer in den USA). Aber das wäre ja zu einfach. Das Einzige, was ich mir manchmal genehmige sind Metros. Die gehen schnell und unkompliziert direkt durch die Städte. Das Letzte mal habe ich in Panama-City eine Metro benutzt. Gab nur eine Linie da. Leicht zum orientieren. Daneben kann man natürlich auch laufen. Ich laufe immer viel durch Städte, wenn gerade keine gute Stelle vorhanden ist, um Fortschritt zu machen oder etwas zu essen zu finden. Aber auch so, wenn ich einen langen Trip beginne, mache ich manchmal 1-2 Stunden Morgenspaziergang um irgendwo hin zu kommen für den ersten Lift.
Ziel: Stadtdurchquerung.
Problem: Viel Verkehr, mehrspurige Straßen und Menschen die nicht weit fahren.
Prinzipiell ist mein Plan folgendermaßen: Ich versuche zum Kern der Stadt zu kommen. Das geht meist irgendwie. Hier ist es immer am schwierigsten, die Straßen am dichtesten, zuviel Verkehr und wohl der schlimmste Ort zum rauskommen (kommt auf die Stadt an, aber relativ gesehen zu dem Umland kann man da sso sagen). Sobald ich das Stadtzentrum erreicht habe, suche ich mir die Hauptstraße in meine Richtung und laufe stadtauswärts. Mit jedem Meter den ihr nach dem Stadtzentrum zurücklegt, wird es einfacher. Versprochen. Mit jedem Meter und jedem kleinen Lift steigen eure Chancen, dass ihr raus aufs Land katapultiert werden.. Und irgendwann werdet ihr durch die Stadt getrampt sein. An mehr denke ich eigentlich nicht. Eigentlich ganz einfach, oder?
Alternative Taktik ist, 50-100km vor der Stadt positionieren und einen Lift suchen, der die Stadt passiert. So hab ich das in Lima gemacht. Und niemand will zur Hauptverkehrszeit in Lima stehen und trampen. Aber manchmal endet man eben in der Stadt, vielleicht sogar ungewollte.
Orientierung in der Stadt
Ich habe kein Smartphone und muss mich daher immer irgendwie durchkämpfen. Das geht aber recht einfach. Prinzipiell gilt es, die Hauptverkehrsstraße zu finden und je mehr ihr euch der Stadtgrenze nähert, desto einfacher ist dies, da sich das Straßennetz ausdünnt und alle größeren Straßen meist auf eine Hauptverkehrsstraße zulaufen. Ich orientiere mich grob an Himmelsrichtungen und laufe zu stadtauswärts. Fragen hilft auch. Meist frage ich nach dem Weg, laufe 100m weiter und frage wieder nach dem Weg. Das wiederhole ich mehrmals, bis ich genügend übereinstimmende Antworten gefunden habe. Einzelne Leute können irren. Viele Leute wissen aber meist, wo es langeht.
Wie kriege ich einen Lift in der Stadt?
Städte haben den Nachteil von mehrspurigen Straßen, dichtem Verkehr und wuseligem Umfeld. Schwierig da auf sich Aufmerksam zu machen. In jedem Fall solltet ihr eine aktive Körper- und Zeichensprache an den Tag legen. Die Kommunikation ist hier etwas anders als auf der grünen Landstraße. Ansonsten gibt es ein paar gute Möglichkeiten Lifts zu bekommen.
Ampeln
Ampeln sind eure Freunde in der Stadt. Ihr habt zum Beispiel die Möglichkeit euch direkt vor der Ampel zu positionieren und die wartenden Autos anzusprechen. Das funktioniert, macht allerdings immer den Eindruck eines Fensterscheibenputzers und ich mag es nicht so. Ich arbeite lieber mit Zeichensprache, wenn ich eine solche Position wähle.
Hinter Ampeln ist auch eine gute Position. Ich mag Bushaltestellen oder Parkflächen die direkt hinter Ampeln beginnen. Der Verkehr rollt langsam los und ihr habt gute Chancen, dass etwas anhält. Insofern die Straße mehrspurig ist, konzentriert euch auf die Spur, die an der Haltefläche entlang verläuft. Meist ist auch nur der Anfangsverkehr geeignet, da die Blechkarawane recht bald mit hoher Geschwindigkeit davonbraust, versuch ich ab einem gewissen Punkt nicht mehr zu liften. Die Straßen sind eng und ich möchte keinen Unfall provozieren. Daher ist es auch wichtig eine ausreichend große Haltefläche zu haben, um keine Auffahrunfälle oder Staus zu provozieren.
Und ich sags nochmal: Haltefläche, Haltefläche, Haltefläche beim Stadttrampen beachten! Safety first.
Menschen fragen
Manchmal, wenn ich wieder am wandern bin, frage ich einfach Menschen am Wegesrand, die gerade in ihre Autos eingestiegen sind, ob sie mir nicht einen Lift geben können. Jeder Meter hilft. Deswegen versuche ich, insofern ich keinen wirklich guten Platz zum trampen habe, auch immer in Bewegung zu sein. Vielleicht wartet hinter der nächsten Ecke schon der erlösende Lift, oder wenigstens Etwas, was euch ein Stück weiter mit nimmt. Es bieten sich hierfür auch große Parkplätze oder Einkaufszentren an. Mache ich persönlich nicht, da ich lieber an der Straße halte.
Zähfließender Verkehr
Für die Autofahrer ein graus, für mich beim Stadttrampen eine willkommene Gelegenheit. Staus. Sei es durch Ampeln, Kreisverkehe, Linksabbieger, Bus-Terminals, Straßenverengungen….überall wo zäh fließender Verkehr aufkommt, kann man in Ruhe mit den Autos kommunizieren und versuchen einen Lift zu finden. Das funktioniert sehr gut.
Einfahrten und Seitenstraßen mit stehendem Verkehr
Okay und hier kommt mein absoluter Favorit und Quelle der ewigen Bewegung. Einfahrten und Seitenstraßen mit stehendem Verkehr sind der absolute Burner um in der Stadt zu trampen. Auch wenn neben euch die große Stadtautobahn ist und dort hunderte von Autos an euch vorbeifahren, das Trampen dort funktioniert sehr schlecht. Verschwendet nicht eure Zeit aus dieser Blechlawine ein Auto herauszuwinken. Konzentriert euch auf die Seitenstraßen, wo weniger, aber qualitativ hochweritger Verkehr rauskommt. Ich habe fast immer meine Lift aus solchen bekommen und seltenst ein Auto von der Hauptverkehrsstraße gefischt (außer ihr habt eine wirklich gute Position).
Das Verhalten ist ganz einfach. Das Auto fährt an die Haltelinie und wird nun warten. Bei offenem Fenster könnt ihr ein Gespräch beginnen (Version dreist). Ihr könnt aber auch einfach euren Daumen schwenken und freundlich lächeln. Oft fragen sie dann schon von selbst, wo ihr hin wollt und was ihr da macht. Ich beuge mich immer wie ein englischer Butler zur Windschutzscheibe hinunter, um in jedem Fall die Aufmerksamkeit des Fahrers zu erhaschen. So solltet ihr relativ schnell einen Lift kriegen.
Öpnv fragen
Kann man machen. Busse, Taxis und alles andere, was Menschen für Geld mit nimmt. Ist nicht so meine Art. Fühle mich unwohl damit und lasse es daher. Aber Nachts in Leipzig hab ich oft Taxis getrampt und in Bolivien sowieso. Unsere russischen Freunde vom PASL nutzen Taxis außerdem während der Wettkämpfe auf den Autobahnringen von St. Petersburg und Moskau.
Tip: Zeichensprache für Kurzstreckenlifts
Was auch besonders in der Stadtperipherie vorkommt, dass die Menschen euch mitteilen sie fahren nur eine kurze Strecke. Aber das sind trotzdem potentielle Lifts, die wir natürlich nicht missen wollen und auch sollten. Legt euch ein Repertoire an Zeichen an, die den Fahrern mitteilen, dass ihr nur eine kurze Distanz mitfahren wollt. Ihr müsst denen das irgendwie klarmachen. Denkt dran: Jeder Meter hilft, um aus dem Moloch herauszukommen. Im Notfall kann man stadtauswärts laufen (ich bin zum Beispiel 2,5 Stunden durch halb La Paz gelaufen), irgendwann findet sich immer eine Trampstelle. Aber das Stadtzentrum zu überwinden, sollte oberste Priorität haben.
Natürlich müsst ihr immer der Situation entsprechend reagieren. Was macht hier Sinn? Soll ich weiterlaufen? Lohnt es sich an dieser Einfahrt zu warten? Soll ich an diesem Einkaufszentrum fragen? Aber hier habt ihr ein paar Möglichkeiten euch zu bewegen. Ich brauch, je nach Größe und Ausdehnung der Urbanzone, meist 1-3 Stunden extra, um durch Städte hindurch zu kommen. Ich finde das ist nicht zu schlecht.
Sitze gerade in der BIB und habe Hirnmatsch. Las soeben „Haltet Ausschau nach verkehrsberuhigenden Ereignissen, wie dieser Beerdigungsumzug.“. Mein Sitznachbar schaute pekiert. Haha, köstlich.
Köstlich indeed. Und schön, das mein Humor auch bei einem anderen Menschen verstanden wird. 🙂