Segelboot trampen – Abschließende Betrachtungen

Segelboot trampen.
Segelboot trampen.

Vor ca. 7 Jahren habe ich das erste mal gehört, es sei möglich mit Booten zu trampen. Was für eine grandiose Idee. Endlich nicht mehr auf Flieger angewiesen sein, wenn man auf andere Kontinente möchte. Schon lange wollte ich es ausprobieren. Nun war es endlich soweit.

Ich schreibe diesen Artikel, weil ich im Vorfeld viel über Boottrampen im Internet recherchiert hatte. Es gibt meiner Meinung nach nicht sehr viele Quellen, bzw. oft sind die Informationen die selben. Darüber hinaus war das Boottrampen nicht so, wie ich es nach all den Recherchen erwartet hatte. Daher möchte ich hier auch eine andere Position einnehmen. Die Wahrheit liegt mit Sicherheit irgendwo in der Mitte. Ich werde hier keine Anleitung zum Boottrampen liefern, weil sowieso schon zu viele Tramper in den Häfen unterwegs sind.

Die Route und die Boote

Ich startete in Gibraltar, bzw. auf der spanischen Seite in La Linea. Mit dem ersten Boot kam ich bis nach Teneriffa, wo ich meinen nächsten Lift für den Transatlantik fand. Es ging in die nördliche Karibik nach St. Maarten. Es kostete mich ca. drei Wochen während der Weihnachtszeit 2014 endlich ein nächstes Boot nach St. Vincent zu finden, von wo ich dann meinen letzte Passage nach Trinitad begann. Insgesamt vier Boote haben mich mitgenommen. Zweimal war ich Crew für einen Boottransfer. Einmal war ich mit einer sehr jungen Crew, die mein Alter waren, unterwegs und einmal mit einem älteren Kapitän. Insgesamt 4000 nautic miles (ca. 7000 km) auf See, Reisezeit ca. 2,5 Monate.

Boottrampen scheint äußerst populär zu sein, in Spanien habe ich ca. 10 andere Tramper getroffen und ich habe gehört, dass in Las Palmas anfang November 25+ Tramper an der Marina waren und versucht haben ein Boot zu finden. Das lag mit Sicherheit auch an der ARC, eine große transatlantik Regatte (http://de.wikipedia.org/wiki/Atlantic_Rally_for_Cruisers), mit der zum 14./20.11. ca. 250 Boote Richtung Westen starten. Es war also viel los, was es teilweise nicht einfacher machte ein Boot zu finden. Ich habe von einigen gehört, die aufgegeben haben und sogar einen Franzosen getroffen, der von Teneriffa zurück nach Frankreich geflogen ist, weil er dort ein Boot gefunden hat, um dann wieder 8-12 Tage auf die Kanaren und dann weiter in die Karibik zu segeln. Ich denke das sagt schon einiges über die Gesamtsituation aus.

Meine Beobachtungen zum Boot trampen:

Der Segler ansich…..

ist mehrheitlich weiß, priviliegiert, männlich und etwas betagter. Ansonsten kann man sich die Weltmeere wie eine Stadt vorstellen, deren Population alle möglichen Menschen umfasst. Es gibt die Freaks, einige Familien, sehr wenige weibliche Kapitäne, Pärchen, junge Communities, Einhandsegler und sehr viele priviligierte, alte, weiße Männer.

Das PAWM – Problem

Im Vorfeld hatte ich einen ganz besonderen Artikel bei Google gefunden, der an erster Stelle auftaucht, wenn man nach „hitchhiking boats“ sucht. Er ist geschrieben von einer Dame, die mit ihrer Familie über die Weltmeere reist und beschreibt, wie man am besten auf ihrem Boot anheuert. Ich habe mich sehr über den allzu arroganten und hochnäsigen Schreibstil aufgeregt. Prinzipiell würde ich nie mit einer solchen Person mitsegeln, da sie anscheinend eine fortgeschrittene Arschkriecherei erwartet und auch sonst nicht sehr sympathisch wirkt. Mal außer acht gelassen, dass die Verfasserin eine Frau ist, spiegelt sich hier aber eines meiner (!) Grundprobleme mit dem Segeln. Es herrscht definitiv ein gewisser Kodex vor, eine Kultur, die ich prinzipiell zum Kotzen finde, weil sie tendenziell hochnäßig und arrogant ist. Allerdings sind viele TramperInnen auch mit vollem Eifer dabei, die konstruierten Klischees zu erfüllen. Wechselwirkung.

Die PAWM Community ist erstmal relativ sexistisch, was heißt: Männer arbeiten an Deck, machen die Segel und die Drecksarbeit, welche viel Kraft erfordert. Frauen sind eher zum putzen und kochen da und wenn der Kapitän mal einen Kaffee brauch. Das ist vorausgesetzt. Ich persönlich koche gerne, was mir keine Pluspunkte in Sachen Männlichkeit innerhalb der PAWM Community einbringt. Ich hatte aber auch eine weibliche Mitseglerin, die sich eines Tages sehr traurig und enttäuscht zeigte, weil immer nur wir Jungs die Segelmanöver an Deck machen durften und sie vom Kapitän nicht richtig ernst genommen wurde.

Darüber hinaus hat man es generell leichter ein Boot zu finden, wenn man eine Frau ist. Ist unfair, aber wohl fakt. Wieso mag ich nicht beurteilen. Dazu kommt: Es gibt auch nicht wenige Segler, die in Segelforen auf der Suche nach einer Lebensgefährtin sind. Segeln ist einsam. Das ist generell die Situation.

Daneben existiert aber auch eine starre Hierarchie an Board. Es ist völlig klar, dass dies so sein muss, weil der Kapitän die Verantwortung für die Entscheidungen trägt und auf See oft keine Zeit für Diskussionen ist. Wenn du nicht schnell genug reagierst, kann das schwerwiegende folgen haben. Diese Hierarchie kann aber auch ausgenutzt werden, insbesondere wenn der Kapitän ein Arschloch ist. Das Problem auf See ist, man kann nicht aussteigen, wie beim gewöhnlichen Trampen. Und die generelle Erwartung an die Crew ist eben; Gehorchen, vielleicht sogar Arschkriechen und sich so verhalten, wie das PAWM für richtig halten. Ich für meinen Teil war davon ziemlich angekotzt und hab auf diesen Habitus absolut keinen Bock mehr (und war damit nicht alleine).

Noch anzufügen: Es sind definitiv nicht alle so, ich will nur meinen Eindruck der Mehrheit in unserem Segeldorf beschreiben. Nähern wir uns der anderen Seite, den Trampern.

Mitsegeln ist kein Trampen

Ein Boot finden und mitzusegeln hat für mich nicht viel mit Trampen zu tun. Es ist nicht so, dass man ein Fahrzeug anhält und einfach ein Stück auf dessen Weg mitfährt. Segeln verlangt etwas mehr Voraussetzungen. Du kannst nicht einfach Platz nehmen und hast einen Lift. Du bist kein Tramper mehr in diesem Moment. Du bist Crew.

Crew bedeutet Arbeit und insbesondere bei einem großen Turn wie dem Transatlantik, ist der generelle Tenor des Boottrampens etwas naiv bis anmaßend in meinen Augen. Tenor ist allzu oft: Ich hab zwar keine Segelerfahrung, aber ich kann kochen, putzen, Nachtwache halten, bin bereit zu lernen (Klassiker) und kann Gitarre spielen. Mal ganz im ernst, niemand interessiert sich dafür, ob du Gitarre spielen kannst, eine gute Gesellschaft bist oder das Boot putzt beim Segeln, wenn du keinerlei Erfahrung auf dem Meer hast. Wirst du Seekrank, hilft auch deine Bereitschaft zum lernen nichts, weil du dann nicht zu gebrauchen bist und auch nicht unter Deck am Herd stehen wirst. Diesbezüglich trifft der oben genannte Artikel schon irgendwie auf den Punkt.

Das ist auch sowieso nur möglich, weil die meisten Boote vollautomatisiert sind. Autopilot, AIS, Windfahne und anderer technischer Schnick-Schnack. Das hat aber auch nicht mehr viel mit Segeln zu tun. Zumindest in meinen Augen. Aber so gesehen ist es ja auch nicht so schlimm, wenn ich ohne Erfahrung ein Boot trampen will. Klar. Aber sieht die Realität an den Marinas aus?

Ich hab von Menschen gehört, die auf die Kanaren geflogen sind, um von da aus direkt den Transatlantik zu starten, ohne vorher auf einem Boot gewesen zu sein. Es ist auch völlig verständlich, wenn die halbe Marina keinen Bock mehr auf die ganzen Tramper hat, wenn jeden Tag Leute mit einer solchen Haltung am Boot erscheinen und erwarten auf eine 3500-4500 km Passage mitgenommen zu werden. Am besten noch umsonst, weil du ja kein Geld hast. Ich als alter Opportunist bin davon außerdem angenervt, weil es so für die Leute mit Segelerfahrung ungleich schwieriger wird ein Boot zu finden. Und die ganze Atmosphäre an der Marina ändert sich. Es mag für einige funktionieren, sicherlich. Aber Boottrampen wirkt auf mich mittlerweile wie das versteckte, wunderschöne Dorf in den Bergen von XY, was irgendwann mal im Lonely Planet als Geheimtipp erwähnt worden ist und seither von naiven Touristenmassen heimgesucht wird, die jegliche Schönheit des Ortes zerstören und überall ihren Müll liegen lassen.

Und Wozu?

Um +-20 Tage auf eine langweilige Atlantiküberquerung zu kommen. Es außer Wasser und der Crew an Board nichts, was irgendwie von Interesse wäre. Wenn dann noch die Stimmung umschlägt, ist es alles andere als spaßig. Ich hatte gute und schlechte Boote. Sicherlich kann man auch ne Menge Spaß haben, aber wie gesagt: Aussteigen geht nicht, wenn es scheiße wird, muss man damit irgendwie klarkommen. Die Hierarchie bestimmt wo es langgeht und der PAWM zeigt irgendwann seine Macken. Es gibt sehr schöne und spannende Segelpassagen auf der Welt, der Transatlantik gehört allerdings nicht unbedingt dazu. Keine Ahnung wieso das alle machen wollen, aber Lonely Planet und so…..

12 Comments

  • Interessant geschriebener Artikel. Vor allem auch informativ. Jetzt weiß ich, worauf ich mich dann einlassen werde, wenn es soweit ist. Gut, dieses ganze „Trampen-per-Segelboot-Ding“ mal aus einem nüchternen Winkel zu betrachten, ohne dieses ganze illusorische Rosarote-Brillen-Gelaber. In diesem Sinne. Gracias & enjoy your journey. Wo bist du denn momentan? Salute from Germany Michael

  • Ohje, wir haben auch gerade ein Segeltrip auf einen 100 JAhre alten 3Mast Segelschiff hinter uns. Ein echtes Abenteuer. Ohne jegliche Segelerfahrung da mit zu reisen :-O
    Wir haben es zum Glück überlebt, aber weiterempfehlen kann ich unser Boot nicht mit gutem Gewissen.
    Trotzdem bleibt es immer eine super Geschichte!
    Liebe Grüße
    Helena & Tobias

    • Hallo ihr Beiden,

      na da scheinen wir uns doch einig zu sein, was die Segelsache anbelangt. 🙂 3 Master klingt jedenfalls nach einem etwas größeren Schiff, als die kleinen Dinger, mit denen ich meist unterwegs war!

      Liebe Grüße zurück!

      • Wunderschön geschriebener Artikel den ich so unterschreiben kann. Wenn du das nächste mal Boote trampst und nicht von 25+ anderen umgeben sein willst empfehle ich dir ein Nord Pazifik Überquerung. Wir waren in Japan die einzigsten Tramper. Auch die Passage ist, sobald man erstmal in Alaska ist, äußerst reizvoll für das Auge.

  • Hi! Schöner Artikel und schöne Seite generell, macht viel Spaß (und Fernweh) sie zu lesen.
    Eine Frage ist mir noch aufgekommen, wo du es schon ansprichst:
    Hast du was (und wenn ja, wie viel) bezahlt für deine Törns?

    Liebe Grüße, Noki

    • Hey Noki,

      ich hab immer nur für mein Essen bezahlt (wenn überhaupt). Auf meinem Schwedenboot meinte der Kapitän, dass ich bezahlen kann, was ich möchte. Da alle auf dem Boot ca. 15€ pro Tag bezahlt haben, hab ich das auch in die Gemeinschaftskasse gelegt. Ich hatte generell aber eher Glück mit meinen Lifts und bezahlen. Hab da auch ganz andere Stories gehört.

      Liebe Grüße zurück! Stefan

  • Hej Stefan!
    Mega spannender Artikel! Ich hab zum Teil ganz andere Erfahrungen mit Segelbooten und ihren Besitzern gemacht.
    Aber es ging auch nie wirklich ums „Trampen“, sondern ums Segeln im privaten Bereich. Ich hatte als Quasi-Anfängerin das Glück auf einen geilen Törn (Vardø – Arkangelsk – Solwetzki Inseln, noch dazu mit weiblichem Captain auf 8,5m) mitgenommen zu werden und möchte die Erfahrung wirklich nicht missen. Und etwas stolz bin ich auf meine absolute Seetauglichkeit, zumindest körperlich – mir war nicht einmal schlecht, weswegen ich ab und an auch als Krankenschwester der nicht so Glücklichen fungierte.
    Jedenfalls bin ich froh, bei dir nicht den allgemeinen Brei zu lesen 🙂 Das wollte ich hauptsächlich loswerden…
    Liebe Grüße,
    Rike

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