Ich habe die schlimmste Grenze meines Lebens überquert

Titelbild
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In Zentralamerika, so sollte ich bald erfahren, muss man an fast jeder Grenze eine kleine Bearbeitungsgebühr von ~10 Dollar bezahlen. In Nicaragua waren es 12$. Grenzen sind immer so eine Sache. Seit Asien hab ich mir angewöhnt, so wenig wie möglich zu zahlen. Besonders wenn laut offiziellen Informationen keine Kosten anfallen. Der Grenzbeamte hatte alles fertig gemacht, meinen Pass gestempelt und bevor er ihn mir zurückgab, wollte er 12$. „Wie 12$? Ja ne, hab ich nicht.“ Erstmal dumm gestellt.

Er war dann ziemlich in rage. Aufgestanden in ein Hinterzimmer gelaufen, rausgekommen und ins nächste Hinterzimmer gelaufen. Letztendlich kam er zurück und…..hat mein Visum annuliert! Hat mich sehr amüsiert, sowas hatte ich auch noch nie. Natürlich hab ich dann am nächsten Geldautomaten die nötigen Gebühren abgehoben und mich dann, extra beim selben Beamten, nochmal angestellt. Er war anscheinend immer noch ziemlich angepisst und meinte unablässig: „Jaja, erst sagen du hättest kein Geld und auf einmal hast du welches….bla“. Aber er hatte im Grunde ja recht.

Der Dummschwätzer

Dann also Nicaragua. Muss sagen, das erste Land, wo trampen einigermaßen gut funktionierte. Auch wenn ich ca. 50 Minuten auf meinen ersten Lift gewartet habe. Auf der Straße war noch ein Pärchen aus England, die auch in die gleiche Richtung getrampt sind. Ich sollte sie auf meinem Weg ca. 3 mal wiedersehen. Entweder fuhren sie an mir vorbei, oder andersrum. Ich erreichte irgendwann Managua, die Hauptstadt von Nicaragua. Mein Lift war ein typischer Dummschwätzer. „Ich hab gehört 70% aller Angestellten in Spanien sind Prostituierte und das dies das größte Gewerbe in Spanien ist.“ Auch ohne diese Perlen der menschlichen Vorstellungskraft hab ich einen siebten Sinn für Dummschwätzer. Und der ist auch dringend nötig, besonders beim trampen. Solche Menschen neigen nämlich dazu immer schlaue Ratschläge zu geben. Etwa, dass es egal ist, welche Richtung ich auf der Straße entlangtrampe, weil beide Wege nach Honduras führen. Schonmal in die falsche Richtung getrampt? Hier eure Chance.

Ich behalf mich meiner Instinkte und erinnerte mich an die Routenbeschreibungen der anderen Menschen an diesem Tag, lies den Dummschwätzer mal Dummschwätzer sein und trampte in der Stadt los. Es war heiß, die Ampel war stark befahren, niemand hielt an, irgendwelche Leute gaben mir irgendwelche Ratschläge. Ich lief los, rauchte eine Zigarette, zwei Mädels die wie Prostituierte aussahen wollten eine Kippe schnorren, aber mein Gemüt war nicht sehr gut aufgelegt. Hab sie zu ihrer Empörung ignoriert und bin weitergelaufen. Städte sind mühselig, aber in jedem Fall winkt immer eine Belohnung für eure Mühen. Hier fand ich ein Motorrad.

Es ist der absolute Spaß und ein Grund weshalb ich diesem Sport nachgehe, ist, dass es so abwechslungsreich ist. Ich saß auf dem Motorrad ohne Helm, man muss sich immer gut festhalten in solchen Situationen. Aber es ist auch ein besonderer Thrill dabei. Dieser Lift hat mal wieder alles getoppt. Wir sind mitten durch den dichten Stadtverkehr geschossen. Zwischen den Autos an die Ampel heranfahren. Dann wieder beschleunigen. Lange Staus waren kein Problem, einfach durch. Und ich kam weiter Richtung Stadtende, wo meine Chancen auf einen längeren Lift größer wurden. Vier Minuten Motorradrennen. Und danach machte ich mir einen Pick-Up klar und brauste aufs Land hinaus. Nächste Großstadt überwunden. WRROOOMMM!!!

Unfall, Chaos, Anarchie

Bruder Ron
Sie nannten ihn Ron.

Ich fuhr in einem Toyota, mit einem Fahrer, der mich an Janines Bruder erinnerte. Wir waren schon einige Zeit unterwegs, hatten die erste Polizeikontrolle geschmiert und plötzlich: Stau. Ganz neues Erlebnis für mich. Staus gibt es eigentlich nirgends in Zentral- und Südamerika (außer in Städten, da dann immer und überall). Es war ein Unfall, ca. 200m vor uns. Frontalzusammenstoß zweier Autos. „Barbar.“, wie mein Fahrer kommentierte. Was nun geschah, war bemerkenswert. Erstmal kam nur Gegenverkehr und keine wusste was los war. Dann rollte unsere Spur etwas. Langsam stieg die Ungeduld und erste Egoisten nutzten den Standstreifen um an den Kopf der Schlange zu gelangen. Als kein Gegenverkehr in Sicht war, nutzten auch die Ersten die Gegenfahrbahn. Das war schon chaotisch. Die auf der anderen Seite machten genau dasselbe. Einfach alle rücksichtslos auf den Knotenpunkt. Am Ende ging kein vor und zurück mehr, keiner kam mehr durch und alle mussten stehen. Pures Verkehrschaos. Selber ins Bein geschossen.

Der Unfall
Die Unfall. Frontalzusammenstoß und Chaos.

Einzelne Menschen versuchten das Knäuel aufzulösen und einzelne Autos durchzuwinken, die dann doch wieder 50m weiter stehenbleiben mussten, weil die Gegenfahrbahn blockiert war. Ich will garnicht über Rettungswagen und Polizei reden. Schier unmöglich hier durch zu dringen. Am Unfallort stand eine große Menschentraube und schaute sich das Spektakel an. Die Verletzten waren nicht zu sehen. Ich denke sie wurden schon abtransportiert von irgendwelchen Privatpersonen. Wir waren erleichtert, als wir die Unfallstelle passierten, nur um 50m weiter wieder zu stehen, weil sich ein neuer Unfall unter den ungeduldigen Egoisten ereignet hatte. Ach Nicaragua…..

Ab durch die Drogenhölle

Ich fand einen LKW zur Grenze von Honduras und wir fuhren in die Nacht hinein. Diese Grenze in El Triunfo war mit Abstand….und das meine ich todernst….mit Abstand das größte Dreckloch, was ich auf all meinen Reisen bisher durchquert habe. Wahrscheinlich trug die Tatsache, dass wir mitten in der Nacht und 10 Minuten vor Schließung der Grenze ankamen, ihr übriges zur Situation bei. Mein Fahrer bot mit an, mich noch weiter ins Landesinnere mitzunehmen und ich hätte alles getan, um nicht an diesem gottverdammten Ort Nachts steckenzubleiben.

Als wir in Honduras ankamen herrschte so etwas wie Anarchie. Keine Polizei, keine Armee, nur ein paar Damen die Stempel vergaben. Und ansonsten: Schnorrer, Drogies und anderes Pack. Das kann man ruhig so abwertend sagen. Die Stimmung war überaus aggressiv. Sobald ein Truck ankam, hingen sofort 2-3 Drogis am Fenster und fragten nach Geld. Ich hab LKW´s beobachtet, die durch beschleunigen versucht haben diese Schmeißfliegen abzuschütteln. Aber es hat nicht funktioniert. Jedes mal, wenn wir von A nach B gelaufen sind, hing uns ein anderer Drogi am Rockzipfel und hat uns zugelabert. Das Perfide ist, dass die Jungs (und Mädels) sowas wie die Ordnungsmacht darstellen. Es gibt keine Polizei an dieser Grenze. Die einen Schnorren, die Anderen laufen mit Knüppeln oder Taschenlampen herum und tun so, als hätten sie einen offiziellen Auftrag.

Wer nicht zahlt, der wird dann eben ausgeraubt. Die Trucker sind zu bemitleiden, weil sie ihren sowieso kargen Stundenlohn noch an diese Mafia abdrücken müssen. Ich konnte Mr. Taschenlampe aus meinem abgedunkelten Truck bei der Arbeit zuschauen. Er stand direkt vor dem Führerhaus, lehnte an den Truck vor uns und hat sich erstmal etwas von seiner billigen Dreckdroge gegeben. Die Leute da nehmen den wirklich sicken Shit. Das ist nicht zu vergleichen mit Kiffen, irgendwelchen Halluzinogenen oder sonstigen modetypischen Konsummitteln. Das was die nehmen, macht kaputt. Und zwischen drin standen die Kids und Frauen, wie eine große Familie von abgefuckten Junkies, die davon Leben Trucker an der Grenze zu erpressen. Willkommen in Honduras.

Ich war bedient nach dieser Grenze. Mein Fahrer warf mich in irgendeinem Ort raus. Ich lief schnurstracks zur Polizeistation. Leute vom Militär und Polizisten sorgten für Ordnung mit immens großen Maschinengewehren. Leute schrien nach mir. Alle waren besoffen. Rund um die Station war es sicher und es traute sich auch niemand heran. Ich fragte nach einem Schlafplatz, bekam eine Bank am Gebäude zugewiesen und musste mich erstmal etwas beruhigen. Diese Grenze hatte meine Nerven strapaziert.

Schlafplatz
Schlafplatz neben der Polizeistation. Am Morgen war es dort recht freundlich.

Kleine Kotzbrocken und ein Bad im Fluß

Honduras. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Das Land kam mir extrem unsympathisch und unfreundlich vor. Als ich am nächsten Tag an der Straße entlang lief, schrien mich eine Horde Kids aus dem nahe gelegenen Fußballstadion an. Sie beleidigten mich ziemlich heftig, nur um danach zwei Scouts auf Fahrrädern auszusenden, die mich um Dollar und T-Shirt anschnorrten. Läuft so leider nicht Jungs. Auf der anderen Seite wirkte das Land angenehm wild auf mich. In der Nacht war alles dunkel entlang der Straße. Nicht so überbevölkert.

Am Morgen hatte ich einen Pick-Up Lift mit einer Familie. Der Vater sprach etwas Englisch. Ich teilte mir mit seiner wunderhübschen Tochter die Ladefläche und sie machte mir schöne Augen. Sie fuhren zum Fluß, um zu waschen. Ich nutzte die Gelegenheit und nahm ein dringend benötigtes Bad und wusch meinen Anzug. Tja und Richtung Grenze hatte ich dann meinen ersten Lift in einem Leichenwagen. Außerdem gab ich an der Grenze mein gesamtes Geld an eine junge Dame, die lecker schmecker Street Food machte (auch mit schönen Augen) und traf die Fußball Nationalmannschaft von Honduras. Wenn ich nun darüber nachdenke, so schlecht war es doch nicht.

El Salvador schnell durchquert. An einem verlassnen Grenzposten in den Bergen angekommen (Dummschwätzerlift in die falsche Richtung). Guatemala vor mir. Antigua eine herrlich kleine Stadt aus der Kolonialzeit sollte mein Ziel sein. Hier wollte ich 3 Tage entspannen, bevor ich nach Norden weiter trampte. Highlights auf der Tour waren: jede Menge Pick-Ups und kurze Standzeiten und wunderbar nette Menschen. Trampen ging flott und gut in Guatemala. Nur einmal musste ich warten. Eine Stunde und 22 Minuten.

Gebackene Bananen, Bratwürstchen, Tortilla, Bohnenpaste und Käse. Yammi!
Grenze Honduras. Gebackene Bananen, Bratwürstchen, Tortilla, Bohnenpaste und Käse. Yammi!

Esst mehr Melonen!

Ich stand unter einem Baum im Schatten und auf der anderen Seite war ein Haufen Melonenverkäufer. Einer schrie nach mir, packte sich eine Melone und wechselte die Straße. Ich hab mich erst gewundert, wieso der mir hier eine Melone verkaufen will. Aber er hat sie mir geschenkt. Wie unglaublich nett! Da ich noch nichts gegessen hatte und auch kein Wasser mehr, nahm ich das gerne an. So aß ich dann erstmal eine ganze Wassermelone alleine zum Frühstück. Danach war mir etwas schlecht.

In Antigua kam ich in dem billigsten Hostel unter, was von einer liebenswerten Russin geleitet wurde. Auf der Dachterasse hatte man Blick auf die täglichen Vulkanausbrüche und irgendwer hat mir hier (VERMUTUNG) meine Notfall-100-Dollar aus meiner Laptoptasche geklaut. Das sollte mir später noch große Sorgen bereiten, aber erstmal ausspannen angesagt. Danach sollte es durch Mexico gehen, um dann endlich in die USA zu gelangen.

2 Comments

  • Man, krasse Tour. Ich glaub in Mittelamerika ist die Gewaltschwelle etwas niedriger als sonstwo auf der Welt. Also Kopp einziehen und auf nach Norden. Lass dir keine überziehen von den Junkies da.

    • Alles relativ. Ich hatte Süd- und Zentral-Amerika weitaus unsicherer erwartet. Am Ende war es doch ganz nett an den allermeisten Orten. Besser als der Ruf auf jedenfall. Bin schon in Seattle übrigens. Hab es überlebt. 🙂

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