Gras und Bananen in Kolumbien

Kurve in Kolumbien
Kurve in Kolubien

Und was das für ein Willkommen in Kolumbien. An dem Grenzposten war schon eine Schlange mit vielen lustigen Menschen. Ich kam sofort ins Gespräch, Foto mit mir gemacht, Gruppenfoto, gelacht, gescherzt. Keine Ahnung wieso, aber die Menschen waren so herzlich und freundlich. Ich hab mich sofort wohl gefühlt. Mein fiebriges Gefühl vom Abend hatte sich auch verflüchtigt. An der Grenze hing ein Plakat, dass der Arzt aufgesucht werden soll, wenn man Schmerzen oder sonstige Beschwerden hat, da in Ecuador anscheinend irgendeine Tropenkrankheit umgeht. Ich hatte maximal 1-2 Mückenstiche und schob meine Beschwerden auf die Strapazen des Trampens. Wenn dem nicht so gewesen sein sollte, laufe ich nun eben als Bazillenherd durch die Gegend.

Ubskure Grenzorte

00:25 Uhr fing ich an in Kolumbien zu Trampen. Das erste Auto hält an. Es ist in Pärchen das in den Grenzort fährt und mich erstmal ungünstigst von der Panamericana hinein in diese kleine dreckige Grenzstadt bringt, um am Busterminal raus zu lassen. Alles mit dem Hinweis, dass ich mich da nicht wegbewegen soll, weil es so gefährlich ist. Auf dem Weg zum Terminal sind wir noch an einem Haufen Polizisten vorbeigefahren, die anscheinend gerade eine Razzia gemacht haben. Am Terminal selbst existierte ein Bus, der mich allerdings nicht mitnehmen wollte. Die beiden Busmenschen haben auch nochmal bestätigt, dass hier sehr viele „Ratten“ rum laufen würden und ich am Terminal sicher sein sollte.

Fakt war aber auch, dass die beiden selber aussahen wie die angesprochenen „Ratten“. Einer war ein kleiner verschlagener Typ, der vorgab mich nicht zu verstehen und ein offensichtliches „I don´t give a shit about you“-Gesicht aufsetzte. Ich habe ihn nur nach dem Weg gefragt, aber er war sich zu fein mir zuzuhören. Das hat mich etwas aufgeregt. Zumal das nun wirklich nicht schwer zu verstehen war. Der Andere war ein großer schlacksiger Kerl, welcher mir zuvor klar gemacht hat, dass ich ohne Geld nicht in dem Bus mitfahren werde. Seine gesamten Vorderzähne schimmerten silbern im Licht der Straßenlaterne. Die beiden Jungs sahen schon aus wie ein perfektes Verbrecherduo.

Aber auch hier war die Gesamtsituation wieder, wie in der Nacht zuvor. Irgendwie hatten diese ganzen Geschichten mich zum zögern gebracht. Ist es wirklich so gefährlich hier? Soll ich wirklich nicht weggehen vom Terminal? Rückblickend war die Grenze Peru-Ecuador eigentlich ganz nett (im Vergleich zu anderen Grenzen die ich in meinem Leben schon überquert hatte). Nach einigem Überlegen lief ich also wieder los. Nicht ohne ein mulmiges Gefühl. Nachdem allerdings die ersten vier vorbeifahrenden Autos allesamt anhielten und mir bereitwillig Auskunft über den Weg gaben, war ich doch recht beruhigt. Niemand hat sich gewundert, dass ich da herumlaufe. Mitten in der Nacht. Niemand hat gesagt, dass ich schnell in ein Hotel soll oder aufpassen muss. Wird schon passen, dachte ich.

Straße in Kolumbien
Straße in Kolumbien

Panamericana gefunden, erstmal in die falsche Richtung gelaufen. Irgendwann Auto angehalten, Fehler bemerkt, zurück gelaufen. Und das erste Auto welches anschließend kreuzte, lud mich ein. Mein Lift nach Pasto. Der Knotenpunkt hinter der Grenze, wo alle Busse abfuhren und wo auch die beiden Schmierfinken mit ihrem Bus hinfuhren, welche mich zuvor nicht mitnehmen wollten. Mein Fahrer war ein Physiotherapeut, der Krankenhausmanagement studiert, kein Lied zuende hören konnte und für mich inmitten eines Bergdorfes anhielt, um mir einen echten kolumbianischen Kaffee zu spendieren, mit Käse. Keine Ahnung wieso es da Kaffee mit Käse gab. War aber anscheinend eine übliche Kombination und da es für mich das erste Essen seit Mittag war, nahm ich die Gelegenheit gerne wahr.

Wir fuhren eine Stunde nach Pasto und mein Lift lies mich an einer wunderbar ausgebauten Straßenkreuzung zur Umgehungsstraße raus Ich fühlte mich gut und bereit die letzte Nacht durchzutrampen. Außerdem wirkte alles sehr sicher. Es war 2:49 Uhr. Vier Tage ohne wirklichen Schlaf. Kolumbien vor mir. Den geplanten Nachtlift hatte ich bereits gekriegt. Nun noch irgendwas nach Norden finden und ich war zufrieden. Ich freute mich so auf dieses freundliche Land. Die letzten 900km in Südamerika trampen. Rückblickend war es ungefähr so, als ob dir jemand einen Bonbon schenkt und du beim Lutschen feststellst, dass er mit verrottetem Fisch gefüllt ist. Trampen in Kolumbien eben.

Nach meinem vorherigen Schwächeanfall fühlte ich mich wieder besser. Nachts um drei Uhr in guter Position stehen. Bogota war in Reichweite. Jetzt ein Letztes mal durchziehen. Leider hielt keines der wenigen Autos an, die an mir vorbei fuhren. Ich lief nach zwei Stunden los und versuchte die andere Seite der Stadt zu erreichen. Ein alter, langsamer LKW gab mir einen Lift zur nächsten Kreuzung. Dort sollte ich nochmal eine Stunde stehen, bis ich wieder eine Kreuzung weiter mitgenommen wurde und letztendlich um 6:12 Uhr hinter Pasto stand. Keine erfolgreiche Nacht, aber jetzt kann es doch losgehen, dachte ich. Zwei Lifts später fand ich mich in einem kleinen Bergdorf wieder.

Erst Power Out

Die Straßen in Kolumbien waren sehr eng und noch steiler. Es ging größtenteils runter. Schwierig zu trampen. Allerdings war es ein wirklich schöner morgen, die Umgebung hatte was von Urlaub. Leider konnte ich mir nichts zu essen kaufen, da ich ja kein Geld bei mir hatte. Ich lief ca. eine Stunde bergab, trampte nebenbei. Stellte fest, dass hier anscheinend nichts mehr anhält. In den letzten fünf Stunden hatte ich kaum Fortschritt gemacht. Sehr ernüchternd. Vier Nächte ohne richtigen Schlaf verbracht. Für mich war an diesem Morgen die Grenze erreicht. 08:05 Uhr: Ich versuchte ein Letztes mal etwas anzuhalten und legte mich anschließend einfach auf den Boden neben die Straße, meinen Rucksack als Kopfkissen genutzt und fiel für 2,5 Stunden in einen tiefen Schlaf. Den ersten Schlaf in der Horizontalen seit 4 Tagen.

Panoramablick
Panoramablick

Ich wachte auf. Es war sehr warm. Die Sonne schien erbarmungslos auf mich und meinen Anzug. Kein Schatten in Sicht. Nach einer kurzen Phase der Orientierungslosigkeit stellte ich fest, dass ich in Kolumbien war und keine Wahl hatte. Ich lief weiter die Straße entlang. Auch in der nächsten Stunde sollte nichts halten. Ich musste andere Lösungen finden. Ein LKW stand am Straßenrand, der Fahrer machte gerade irgendwas. Ich fragte wo er hin fährt und ob er Platz hat. Natürlich hab ich wieder nicht verstanden wo er hinfährt, aber er nahm mich mit. Es stellte sich aber bald heraus, dass er auf dem Weg nach Medellin ist, was noch hinter Bogota liegt. Perfekt.

Wir fuhren bis zur Abenddämmerung durch den Guerilla verseuchten Süden Kolumbiens. Die Sonne schien bei angenehmen 28°. Pures Sommerwetter. Zwischendurch hielten wir immer mal wieder an. Ein Bier trinken. Batterien mit destilliertem Wasser auffüllen. Irgendwann bekam ich eine Papaya gekauft und aß sie an einem Stück. Es war die beste Papaya, die ich in meinem Leben gegessen hatte. Ein wirklich angenehmer Lift, bis auf die Tatsache, dass die Autobatterien nach fauligen Eiern gerochen haben, bevor wir sie aufgefüllt hatten. Dann Zeit zum Abendessen. Die Fahrt sollte alsbald ihr Ende in der Nachtruhe finden und ich würde in meine nächste Nacht zum trampen entlassen.

Etwas unglücklich starben uns die Batterien während des Abendessens. Irgendwie gab es noch ein Automechaniker-Team die uns halfen den LKW wieder zum starten zu bringen. Leider durfte er jetzt nicht mehr ausgeschaltet werden, was für meinen Fahrer hieß, dass er die 20 Stunden nach Medellin durchfahren musste, ohne zusätzliche Schlaf. Für mich natürlich ein Glücksfall, da ich so bis zur letzten Autobahn Richtung Bogota mitfahren konnte. Bogota war von dort noch 300km entfernt.

Dann Chill Out

Es war Nacht Nummer fünf. Irgendwann stand hinter einer Toll-Station und drei Jungs nahmen mich mit. Es gab Mini-Bananen und Gras. Mein Sitznachbar griff in eine Tüte, deutete mir an meine Hand aufzuhalten und drückte mir eine ordentliche Ladung „Flores“ in die Hand. Nun gut dachte ich, das hätte schlimmer kommen können. Völligst entspannt stieg ich aus de Auto, fand mich an einem schönen Kreisel wieder, die Taschen voller Gras und neben mir ein Geldautomat. Für alles war gesorgt. So wirklich Lust zum weitertrampen hatte ich nicht mehr.

Ich war so nahe an Bogota, es war Nacht mit wenig Verkehr und nebenbei redete ich mit einem Security Menschen namens Franz. Netter Kerl, etwas jünger als ich und hatte einen verständlichen spanisch Akzent. Irgendwann während des Gespräches fuhr ich mit meiner Hand über meine Mütze und bemerkte, dass an meiner Stirn die ganze Zeit eine Blüte geklebt hat. Ich entfernte sie unauffällig und mußte mich zusammenreissen, meinen inneren Lachanfall nicht nach außen zu tragen. Das hatte doch eine gewisse Komik. Mein Tag war danach auch entgültig gelaufen. Vor mir war die grünste Verkehrsinsel, welche in jemals gesehen habe. Ich breitete meine Isomatte aus, holte den Schlafsack raus, setzte meine Schlafbrille auf und schlief vier Stunden bis in den Morgen.

Der Kreisel hatte einen weiteren Vorteil, neben schönen Bäumen und dem Geldautomaten gab es auch eine Bäckerei, die ich nach dem Aufstehen als erstes aufsuchen sollte. Kaffee und irgendwas zum Fühstück. Während ich das Angebot inspizierte, fragte mich einer der Menschen, wo ich herkomme und ob ich aus Deutschland sei? Sein Name war Ralf, er war ebenfalls Deutscher und einer der Besitzer der Bäckerei. Wir hatten eine angeregte Diskussion. Er gab mir einen Kaffee und zwei gefüllte Blätterteigtaschen aus. Ich holte mir noch Wasser im angrenzenden Supermarkt und machte an die Arbeit.

Schlafplatz in Kolumbien
Schlafplatz in Kolumbien

Und am Ende der technische Fehler

Es hielt kaum etwas an. Ich hatte wirklich zu kämpfen. Am besten funktionierte das Trampen hinter Armee Kontrollpunkten. Ansonsten war Kolumbien so ziemlich der Tiefpunkt meiner Reise. Ich hab verschiedene Theorien hierzu, aber mehr dazu im „Trampen in…“ Artikel. Irgendwann stand ich 3 Stunden vor Bogota. Position gut, Schatten vorhanden, ein Bus hielt. „Kein Geld, wohin geht’s?“ „Bogota.“ „oh wirklich, well….kann ich mit.“ Sie willigten ein. Ich fand mich in einem Bus wieder und sollte mein Ziel erreicht haben. So dachte ich. Bis wir in der nächsten Stadt anhielten und auf einmal alle ausstiegen. Klassisch Dummer Fehler meinerseits. Ich war ziemlich angesäuert, dass ich gerade so nah am Ziel war und mich der Bus dann von meiner Panamericana runterholt. Karte hatte ich keine. Was folgte waren nochmal zwei Stunden laufen. Raus aus dieser dummen Stadt in Richtung meiner Straße. Nichts, aber wirklich gar nichts hielt an, obwohl so viel Verkehr vorhanden war. Willkommen in Kolumbien. Irgendwann nach zwei Stunden zeigte sich der Trampergott gütlich und belohnte meinen Fußmarsch mit einem Lift in eine der letzten Städte vor Bogota. Eine Stunde fahrt bis zum Ziel. Es war bereits dunkel.

Hier hatte ich dann wieder Glück. Wieder lief ich eine halbe Stunde. Auf dem Weg ein parkendes Auto gefunden. Nach Bogota. Aber wollten mich nicht mitnehmen. An einer Polizeikontrolle habe ich nach dem Weg gefragt. Es war Ortsende und ich wollte herausfinden, wie weit die Hauptstraße entfernt sei. Zur gleichen Zeit hielt ein junges Pärchen und fragte nach dem Weg nach Bogota….nach Bogota….nach Bogota…..mein Stichwort. Es kostete mich ca. 5 Minuten Dikussion um die Beiden davon zu überzeugen, mich doch bitte aus dieser Nacht herauszuholen und mit nach Bogota zu nehmen und mir meinen finalen Lift zu geben. Geschafft. 7. Juni 2015, 20:45 Uhr und ich erreichte Bogota. Meine Südamerika Tramptour war geschafft.

2 Comments

  • Fetter Beitrag. So wie ich das lese, bist du n echter Hardcore-Hitchhiker. Digga, schläfst du auch mal länger als nur paar Stunden? Gönn‘ dir ruhig mal längere Pausen, um dich zu erholen. Oder haste Dead line auf der Tour? Haste das Gras vernichtet? Ich geh‘ jede Wette ein, es hat an Papers gefehlt. 😉 Weiterhin viel Spaß auf deiner Reise. Geiler Blog und Weiter so Brudi!!! Salute from Augusta Treverorum, Germany

    • Ich mache morgen los und trampe 3000km in die USA. Danach wird alles etwas ruhiger. Ich bin in der Tat etwas ausgebrannt. Die nächsten Monate gibt es dann Rundtourberichte durch Kanada/USA.

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