15 000 km durch China trampen (2/5); Tibetanische Bergstraßen

Truck in Himalaya, Bergstraße Trampen

10.05.2016, 22:44 Uhr, Shangri-La

Bin heute früh in die Berge aufgebrochen. Mein Tag war etwas durcheinander. Habe Kopfschmerzen wegen der Höhe. Mittlerweile auf mindestens 3500m. Kann aber nicht genau sagen, wie hoch. Versuche mal kurz zusammen zu fassen, was passiert ist.

Hatte einen Lift direkt in die Stadt, wo ich hin wollte. Shangri-La. Von da geht es dann in die Berge. War ein Lastwagen. Sau langsam. Das lag einerseits daran, dass die Straße einspurig wurde und fiese Steigungen erschienen. Zu uns gesellten sich noch andere Lastwagen, die noch viel langsamer waren, als wir. Das Hauptproblem war allerdings mein Fahrer, der es absolut nicht gebacken bekommen hat, richtig zu schalten. Irgendwann am letzten Berg ist der Lastwagen dann mit einem lauten Zischen kaputt gegangen und ich war ehrlich gesagt recht froh, dass ich mir einen neuen Lift suchen musste. Rohrkrepierer.

Mit zwei netten chinesischen Damen kam ich dann in Shangri-La an. Schöne Stadt, muss ich schon sagen. Zumindest der Teil, der nicht 2014 beim großen Feuer nieder gebrannt ist. Hab dort einen Tschechen auf der Straße getroffen und wie das unter Menschen mit Rucksäcken so ist, haben wir angefangen und zu unterhalten. Der Typ der ihm ein Zimmer vermietet war auch dabei. Kurzer Plausch über Route, Budget etc. ich meine, dass ich im Zelt penne und dann wurde mir angeboten, dass ich hinter dem Hostel in dem buddhistischen Kloster zelten könnte. Das wollte ich allerdings nicht. Der Abend war noch jung und ich am falschen Ende der Stadt. Bin dann 2 Stunden durch die Stadt flaniert, mit meinem 12kg Gepäck. Bis ans andere Ende, wo dann die Bergstraße losgeht, damit ich morgen früh einen guten Start habe. Sowas ist für mich übrigens Sightseeing.

Schangri-La

Auf dem Weg habe ich ein sehr sehr süßes Kind gesehen, mit kleinen schwarzen Knopfaugen und einem traditionellen tibetischen Dress. Leider hab ich meine Kamera zu spät raus geholt, um diesen Moment festhalten zu können. Das mir solche Bilder entgehen, ärgert mich schon etwas. Aber aus Fehlern lernt man. Deswegen hab ich den anderen kleinen Jungen photographiert, der da einfach mal so auf die Straße geschissen hat!

Auf die Straße scheißen

Meine Schlafplanung war so: Entweder buddhistischer Tempel, Polizei oder Zelt. Tempel kam keiner mehr. Soviel schonmal vorweg. Zwischenzeitlich bin ich noch Nachttrampen gewesen, um schonmal in die Berge vorzustoßen. Mein erster Lift waren zwei Männer mit Hut. Die haben mich mitten in der Dunkelheit an der Kreuzung im nirgendwo abgesetzt, so nach dem Motto „Tschüß dann!“. Mein Problem war, dass ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte und auf der Suche nach „irgendwas“ war. Als ich da eingestiegen bin, war ich so verzweifelt. Ich hab sogar in Google Translate geschrieben, dass ich einen Zeltplatz und Essen suche. So tief unten, bin ich selten. Und dann stand ich mitten in der Dunkelheit. Naja, Tschüß dann!

Irgendwo im Himalaya und am Horizont waren keine Lichter zu sehen. Ich war so bedürftig, ich hätte sogar an ein Haus geklopft. Zelt war auch nicht gerade meine erste Option, da 5° Außentemperatur für meinen 11° Schlafsack nicht passend sind. Polizei nicht zu sehen. Tja, was machste da, hilft halt nur laufen und trampen.

Zum Glück hat mich dann ein Trucker mitgenommen und zu sich nach Hause eingeladen. So hatte ich mir das gedacht. Er war Tibeter und sein Truck sehr schön bunt geschmückt. Wir sind schon auf den Feldweg zu seinem Dorf abgebogen, als wieder so eine kann-man-verstehen-muß-man-aber-nicht Sache los ging. Wir fahren von der Straße ab, 10 Minuten Schlagloch Inspektionslauf, dann kommen uns die ersten Autos entgegen. Anhalten, kurz reden, ich werde aus dem Truck gezerrt und in das Taxi verfrachtet. Dann fahren wir zurück.

tibetischer Truck

Keine Ahnung, aber das mit dem „bei Leuten pennen“ hat sich bei mir nie durchgesetzt, wenn ich unterwegs war. Im Dorf dann bei der Polizei geklopft, in der Hoffnung die geben mir einen Schlafplatz. Es ist ja so gefährlich in China! (Nach dieser Logik erfolgreich praktiziert von Mette. Mit Bonus: Frei Essen und manchmal auch frei Bier). Leider hat niemand aufgemacht, obwohl Licht brannte. Also Zelt. Hab mir eben noch für 2€ ne riesen Portion Reis gekauft. Ich glaube das war zuviel Geld für die Mahlzeit. Die wollten mir danach unbedingt noch mehr geben. Aber ich hatte meinen Rucksack unbeobachtet auf der dunklen Wiese liegen lassen. Und wollte zurück. Hab nun noch genau 1€ einstecken.

Zelt war die letzte Option als Schlafgelegenheit für heute. Aber was willste machen. Mein nicht-erfriere-Plan sieht folgendermaßen aus: Daunenjacke, T-Shirt und Unterhemd für den Oberkörper. Jogginghose und zwei paar Socken für die Beine. Habe auch noch einen Schal. Sollte passen. Meine Kalkulation schließt mit ein, dass es im Zelt generell nicht so kalt ist, wie draußen. Darüber dann mein jämmerlicher Sommerschlafsack. Wird kalt hier auf 3500m. So und nun Ende. Kopf drückt, die Höhe setzt mir zu, brauche Ruhe und der Bildschirm tut in den Augen weh. Gute Nacht.

11.5.2016, 06:26 Uhr

Sau kalt wars. Lag vielleicht auch daran, dass ich meine flauschigen Wintersocken lieber als Kopfkissen benutzt habe. Hab von warmen Decken geträumt und bitterlich gefroren. Aber das kenne ich ja schon von anderen kalten Nächten.

Ansonsten höre ich hier den Uhu, was mich sehr freut. Ich mag Uhus. Und aus der Ferne schreit ein Hahn. Der hört sich an wie ein Dinosaurier. Bin hier in einer kleinen Schlucht und es schallt so schön. Guten Morgen Himalaya.

Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, wie man bei uns zu Hause so schön sagt. Das wird ne lustige Tour heute. Daher lieber mal aufstehen und hoffen, dass hier irgendwas vorbeikommt. Die Nacht war sehr ruhig. Kein Verkehr. Sonne sollte bald aufgehen. Leichter Frost auf meinem Zelt.

11.05.2016, 19:57 Uhr

Also mein Tramptag heute. Aufstehen und erstmal 2 Stunden spazieren gehen. Soweit normal. Es war nicht viel Verkehr, aber die wenigen Autos sind meist vorbei gefahren. Ganz schwere Strecke, meines erachtens. Zuviel Taxi und Busverkehr (also ein Taxi/Bus pro Stunde und sonst nicht viel andere Vehikel). Hab dann Glück gehabt und einen Toyota Jeep abgefangen, mit dem ich mehr als fünf Stunden unterwegs war. Mittagessen inklusive. Ca. 70% der Offroad-Strecke geschafft zur Tagesmitte. Die Strecke für die andere 4 Tage brauchen. Und die ich niemals unter zwei Tagen schaffen würde (!), wie ich mir habe sagen lassen. Wir waren recht schnell unterwegs. Die Straße war aber auch erste Sahne Schotterpiste mit wunderbarem Panorama. Mir ist ständig einer abgegangen im Auto, als wir durch die Serpentinen gedonnert sind. Das sind Straßen, die ich suche. Warm roads. Absolutes Highlight meiner zurückliegenden 80.000 km.

Tibet Straße

Himalaya Schotterstraße

Bergstraße Tibet Trampen

Ans Weitertrampen war leider nicht zu denken. Ich wurde ins Dorf mitgenommen, endete einer Art Treffpunkt aller Dorfbewohner und bekam eine reizende junge Dame an die Hand, die für mich übersetzt hat und mir eine kostenlose Tour durch das Dorf gegeben hat. Da musste ich mich leider fügen. Anschließend gab es Abendessen und dann wurde ich ins Hotel verfrachtet. Ich dachte eigentlich, die lassen mich bei sich zu Hause schlafen. Finde das nicht gut, dass die mir ein Hotel bezahlen, aber ich konnte wenigstens noch durchsetzen, dass die mich in das billigere Zimmer stecken.

War aber ein echt schöner Tag.

Freunde in China

Fünf neue WeChat Freunde geaddet (sowas wie das chinesische WhatsApp), Geschäftskontakte für zukünftigen Handel mit LKW Teilen geknüpft. Ein tibetanisches Haus von Innen gesehen (übrigens: Jedes Haus hier hat seinen eigenen Schrein, ein Raum der Buddha gewidmet ist) und ne geile Straße überfahren. Was will man mehr? Nun frisch machen, danach noch ne Stunde meditieren und ich bin bereit für Morgen. Da ich soviel Leisure Time hatte, muss ich morgen mal ein bißchen losballern, damit ich nicht aus dem Zeitplan falle. 4500 km bis zum Nordende von China. Sollte in fünf Tagen machbar sein.

12.05.2016, 11:17 Uhr, irgendwo in der chinesischen Pampa

Scheiße, schon wieder im Hotel. In der Ecke liegt ein Zigarettenstummel. Willkommen in China.

Mein Tramptag fing sehr gut an. Konnte kaum Position beziehen, da hat mich schon eine Gruppe an der Tanke zu sich gerufen. Erster Lift, 8 Stunden fahrt und einer konnte sehr gut Englisch. Die Strecke war wirklich ein Traum. Wir sind irgendwo zwischen 3000-5000 Meter durch den Himalaya gekurvt. Gekurvt ist gut: Irgendwann hatte ich die Serpentinen satt. Aber die Landschaft war überaus abwechslungsreich. Die Straße zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Eine Fortsetzung des Vortages. Was ne geile Route! Hab ungefähr 100.000 Fotos gemacht, bis mein Akku den Geist aufgegeben hat.

Zwischendurch haben wir auf einem 4000m hohen Pass angehalten. Da gab es einen Gipfel-Touri-Findling. Ich fand das Yak aber viel spannender, was da auf der Wiese gegrast hatte. Da standen auch schon zwei Chinesen und haben sich damit abgelichtet. Ich dachte, dass ich auch ein Foto mit diesem wunderschönen Tier möchte. Er hatte mich schon so skeptisch angeschaut, als ich auf ihn zugelaufen bin. 2m entfernt war ich. Da ist mir aufgefallen, was diese Tiere für enorm große und auffallend spitze Hörner haben. Naja, kurzes Ende der Geschichte: Das Yak hatte wohl nicht so das Interesse an einem Foto mit mir, hat mich sehr böse angeguckt und dann zwei mal mit dem Kopf geschwungen, als wollte es eine Horde fliegen verteilen oder wahlweise meine Eingeweide aufspiessen. Ich bin einen ordentlichen Satz zurück gesprungen und musste mich erstmal von dem Schreck erholen. Schönes Tier trotzdem.

Yak in Tibet

Kurz vor Ende gab es noch eine Stunde Vollsperrung. Ein schrecklich dummer Unfall. Sah nicht schlimm aus, alle Fahrzeuge waren noch intakt, aber die Leute….. die Leute wollten sich nicht vom Fleck rühren, ehe die Polizei kommt. Also haben die noch einen weiteren LKW rangefahren und die Straße dicht gemacht. In Deutschland kriegt man für sowas nen Strafzettel. Hier muss die Polizei erst 30km serpentinenverseuchte Bergstrasse überwinden. Dauert.

Übrigens: Ich hab kein Geld bei mir, aus Ermangelung an Möglichkeiten. Finde einfach keinen ATM. In den letzten 8 Tagen hab ich ungefähr 25€ ausgegeben. Nun noch 1€ in der Tasche. Hab aber auch beschlossen, dass ich erstmal kein Geld brauche und keine Zeit mit der Suche nach Geldautomaten verschwenden werde. Klappt auch so ganz gut. Der oben angesprochene Lift hat mir zum Abschied eine enorme Tüte Süßigkeiten gepackt. Mein Reiseproviant. Und ca. vier Flaschen Wasser. Verdursten werde ich daher eher nicht, aber vielleicht erleide ich einen Zuckerschock.

Mich haben später drei Männer aufgesammelt, die mich aus den Bergen auf die Autobahn bringen. Sehr sehr geiler Lift. Abendessen inklusive. Das gehört hier dazu. Ich hatte auch den ganzen Tag nichts gegessen, außer Kekse, Schokoriegel und Bonbons. Und so endete ich auch in diesem Hotel. Unter mysteriösen Umständen. Mal wieder diese Sachen, die einfach keinen Sinn ergeben. Es war schon dunkel und in irgendeinem Kaff stand auf einmal die Polizei auf der Straße. Und davor eine lange Schlange Autos. Keine Ahnung, was da los war. Meine Mitfahrer haben dann mit einem Menschen aus dem Dorf geredet. Ich Glaube verstanden zu haben, dass die Sperrung wohl lange dauert. Dann ist der Mann weggegangen und wir hinterher.

Gegen Ende der Schlange ist er ausgestiegen, in eines der parkenden Autos rein und mit uns zu diesem Hotel gefahren. Hier schlafen wir nun. Ich hab ein Doppelzimmer für mich bekommen. Aber ich kann euch sagen: Ich muss langsam mal losmachen. Mit meinen bisherigen 500-600km am Tag komme ich hier nicht weit. Habe nun ca. 3000 km hinter mir. Kann keine genaue Kalkulation machen. Aber die Zeit rennt, habe noch 3,5 Wochen für 13.000 km. Daher ist mir das Hotel nicht ganz so recht. Ich wäre lieber auf der Straße geblieben und hätte die Nacht durchgezogen. Aber naja, was willste machen?

Wenigstens Dusche und Batterien aufladen. Außerdem kann ich noch ne Runde sitzen. Danach dann schlafen. Morgen früh um Sechs werde ich geweckt. Fühlt sich an wie Familienurlaub. Hoffentlich ist es noch dunkel, wenn wir losfahren. Und hoffentlich verbringen wir nicht zuviel Zeit mit frühstücken. Frühstück, da bin ich ganz sicher, wird es auf jedenfall geben. Und dann endlich auf die Autobahn. Meter machen. Gute Nacht.

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