Prolog
Wenn ich an Brasilien denke, kommt mir sofort der Zuckerhut, halbnackte Frauen und sonnige Strände in den Kopf. Das typische Klischee, welches von der Tourismusbranche gepflegt wird. Ich hatte kein großes Interesse an dem größten Land in Südamerika. Allerdings lag es auf meinem Weg nach Uruguay und ich musste einmal von Norden nach Süden trampen. Umso erfreulicher, dass mich Brasilien mit einer großen Diversität überrascht hat. Nicht nur landschaftlich, auch die Menschen sind überaus multikulturell. Ein spannendes Land, zum trampen jedoch nicht unbedingt die Top-Adresse.
Statistik
Anmerkungen zum Log: Die angegebene Zeit ist diesselbe wie in meinem Venezuela Log. Da ich 3 Zeitzonen durchquert habe, ist die lokale Zeit unterschiedlich zu meiner Logzeit. Prinzipiell war es immer 2-3 Stunden später als angegeben.
Log findet ihr hier.
Zurückgelegte Distanz: 6550 Kilometer
Anzahl der Lifts: 44
Durchschnittliche Wartezeit: 15 Minuten 16 Sekunden
Standzeit Gesamt: 35 Stunden 12 Minuten (im Log müsst ihr 24 Stunden zur Gesamtzeit dazurechnen)
Meine Route
Ich bin an der venezuelanischen Grenze im Norden gestartet und nach Manaus getrampt. Danach ging es mit einer Fähre über den Amazonas nach Santarem. Die Alternativroute über eine andere Straße im Süden wäre 2000km länger gewesen und nach meinen letzten Infos sollte diese Straße nicht mehr existieren. Zweiter Abschnitt: Von Santarem auf die Transamazonica nach Maraba und anschließend mit der BR – 153 den ganzen Weg nach Sao Paolo, um dann weiter nach Chuy zur uruguayanischen Grenze zu trampen.
Menschen
Wie ich oben schon angemerkt hat, wurde ich von der großen Diversität in Brasilien überrascht. Brasilien ist ein Einwanderungsland und die Menschen sind so unterschiedlich, wie man es sich nur vorstellen kann. Zu meiner Überraschung gab es viele Menschen mit asiatischem Hintergrund in Brasilien, Afrika, Südeuropa natürlich, deutschsprachige Brasilianer (mit sonderbarem Dialekt), aber auch russische Enklaven, Polen und noch wenige Ureinwohner.
Bezogen auf das Trampen ist es allerdings etwas schwierig zu beurteilen. Brasilien ist sehr groß und die einzelnen Landesteile waren unterschiedlich gut zu trampen. Im Norden hatte ich lange Standzeiten und die Leute hielten nur selten an. Allerdings hab ich dort auch beobachtet, dass die Autos sehr oft voll mit Familie/Freunden waren. Ab Las Palmas war ich auf der Transitautobahn Richtung Süden, konnte mit meinem wenigen portugiesisch Menschen ansprechen und das Trampen ging von dort an sehr gut. Bis Porto Allegre hatte ich einen guten run. Der Tiefe Süden war wiederum schwierig, in Pelotas stand ich sehr lange, die Menschen wirkten irgendwie unsympathisch, viele Deutsche und Polen da unten und alles etwas konservativer.
Was ich noch über Brasilianer sagen kann, dass sie sehr viel wert auf Sauberkeit legen. Es gibt überall duschen und die werden tlw. auch zwei mal am Tag genutzt. Motorradfahrer ziehen oft penetrante Parfümwolken hinter sich her. Das hab ich vorher noch nie erlebt. Macht alles einen etwas neurotischen Eindruck, wenn man noch die permanente Angst mit einbezieht, die einen Großteil der Gesellschaft erfasst zu haben scheint. Letzteres ist wohl auch ein Grund, weshalb so wenige Menschen anhalten. Angst vor Trampern.
Straßen
Es gibt ein Autobahnnetz in ganz Brasilien. Br ist die Straßenbezeichnung. Die Straßenqualität unterscheidet sich allerdings stark. Das hängt sehr viel mit den zugehörigen Bundesstraaten zusammen, die für den Straßenbau verantwortlich sind, nicht, wie in Deutschland, das Land.
Hinter der venezuelanischen Grenze ist die Straße top, neu gemacht, einspurig. Das ändert sich nach Boa Vista. Die Straße ist immernoch gut, allerdings kommen hier immer wieder sehr kurze Passagen mit fiesen, tiefen Schlaglöchern oder Staubpisten, bevor die Straße dann wieder wie vorher weitergeht. Verstehe ich nicht. Desweiteren gibte es im Norden nicht viele Ortschaften, aber dafür sehr viele Farmen und Kurzstreckenverkehr, welcher immer schwierig zu trampen ist.
Nach Santarem fängt die Transamazonica an. Ich werde hierzu noch einen gesonderten Artikel schreiben. Sie ist wohl eine der tollsten Straßen, die ich bisher in meinem Leben befahren habe. Immer wenn du denkst: „Wow, diese Stelle sah wirklich toll aus, dieser Hügel war wirklich steil, das war wirklich abgefuckt und so ein schönes Fotomotiv werde ich wohl nicht mehr finden“, wirst du überrascht, weil nach dem nächsten Hügel alles noch steiler, schöner, abgefuckter oder ästethischer wird. Prinzipiell kann man die Straße mit einem Feldweg in Deutschland vergleichen, der mit einem Traktor zwei mal durchgepflügt wurde, dann noch ein paar Tonnenschwere Steine reingeschmissen und oben drauf die rote Erde. Das ganze dann in einem stetigen Auf und Ab über das bergige Amazonasgelände. Die Straße ist im besten Fall staubig. Wenn es zu regnen beginnt, zeigt die Transamazonica dann aber ihre gehässige Seite. Aber dazu später mehr.
Im Landesinneren wird alles besser, sobald die ersten großen Auto Posto Stationen erreicht werden. Das sind so eine Art Raststätten. Die Trucks müssen hier anhalten und sich registrieren. So ganz hab ich das System nicht verstanden. Aber es gibt umsonst Kaffee und Duschen, sowie 24/7 leckeres Essen zu moderaten Preisen. Das ist wirklich Tramper-Infrastruktur Deluxe und zieht sich bis in den Süden. Insbesondere im Bundesstaat Sao Paolo und rund um Guiania sind sowohl die Straßen, als auch die Raststätten wirklich gut ausgebaut und kein Vergleich zum wilden Amazonasgebiet.
Im Süden werden die Wege wieder enger und die Straßenqualität lässt nach, je mehr man zur uruguayanischen Grenze vordringt.
Taktik
Okay, ich hab einige Kilometer und Tage in Brasilien verbracht und das Trampen war eine wirkliche Herausforderung. Die Wartezeiten während meiner ersten zwei Tage waren recht hart. Tag eins; (1) 26 min, (2) 1h 31 min, (3) 1 min. Tag zwei; (1) 2h 48 min, (2) 59 min, (3) 4 min, (4) 1h 41 min. Für das Warten wurde ich oft mit long-distance-lifts belohnt. Ich hatte in Brasilien mit 1582 km auch den bisher längsten Lift meines Lebens.
Problem in Norden waren volle Autos und Autofahrer die nur kurze Distanzen zurücklegten und daher nicht anhalte, sondern nur mit dem Finger nach rechts und links zeigen. Lösung: Laufen.
Ich hab mir relativ schnell angewöhnt einfach in die Pampa zu laufen. 2-3 Kilometer. Wenn man weit außerhalb ist, halten die Autos immer etwas eher. Die Straßen sind generell lang und gerade, was eine gute Sichtbarkeit gewährleistete, auch wenn die Autos sehr schnell fahren.
Daneben gibt es wieder die altbekannten „Bumpers“, wie schon in Venezuela. Immer eine gute Wahl zur Positionierung.
Insbesondere im Landesinneren und im Süden existieren außerdem relativ viele Tollstationen und Military Checkpoints. Die Tollstationen sind Nachts eine gute Wahl, da dort immer recht gutes Licht ist und der komplette Verkehr der Autobahn durch muss. Tagsüber ist manchmal sehr viel los, aber trampen funktioniert auf jedenfall.
Mit ein bißchen portugiesisch geht das Ansprechen an der Raststätte recht gut. Mit etwas Charme und Unbeholfenheit verlieren die Brasilianer auh schnell ihre Angst und es ist ähnlich wie in Deutschland.
Was mir erst spät aufgefallen ist, die Kennzeichen in Brasilien sind mit sehr vielen Informationen ausgestattet. Es findet sich der Bundesstaat sowie der Ort der Registrierung. Ein perfekter Anhaltspunkt um Autos in die richtige Richtung zu finden. Sehr hilfreich beim Fragen an der Raststätte.
Auch noch erwähnenswert wären die „Familia“ oder „Family“ Trucks. Die haben ironischerweise nur einen Sitzplatz und können daher keine Tramper mitnehmen. Eine solche Konstruktion hab ich vorher noch nirgends gesehen. Auch charmant, manche Trucks haben außen explizit dranstehen, dass keine Mitfahrer erlaubt sind. „Carroña prohibide“ oder sowas steht außen dran.
Fotos
Besonderheiten
Werde ich bei Gelegenheit nochmal hinzufügen.