Prolog
Uruguay, dieses kleine unscheinbare Land zwischen Brasilien und Argentinien, welches hauptsächlich von Fleisch und reichhaltigen Wasserreserven bestimmt ist. Ziemlich teuer und gleichzeitig selbsternanntes Entwicklungsland. Keine Probleme aber auch keine Ansprüche. Vor allem eines: „Tranquilo“ (ruhig, gelassen). Ein bißchen wie Belgien, nur schlimmer. Mich fragte mal ein Fahrer wielange ich schon in Uruguay sei? „6 Wochen.“, erwiderte ich. „6 Wochen und dir ist nicht langweilig?“ Die Frage hat durchaus Berechtigung.
Statistik
Zurückgelegte Distanz: 2689 Kilometer
Anzahl der Lifts: 88
Durchschnittliche Wartezeit: 19 Minuten 42 Sekunden
Standzeit Gesamt: 28 Stunden 54 Minuten
Log gibts wie immer hier.
Meine Route
Okay, es gab keine wirkliche Route, wir haben uns in Uruguay recht gut ausgetobt. Einmal an der Ostküste hoch. Ein Anderes mal eine komplette Runde über Mercedes, Bella Union, Artegas und das Landes Innere gemacht. Und natürlich bin ich einmal von Norden durch das ganze Land, um dann weiter nach Buenos Aires zu machen. Insgesamt haben ordentlich Kilometer gemacht.
Menschen
Libertad o Muerte. Freiheit oder Tod ist das offizielle Motto des Landes Uruguay. Dieser Satz hat etwas anarchistisches und mir wurde mal gesagt, dass der Uruguayaner ansich eine Mischung aus Anarchist und Spiesser sei. Ziemlich amüsante Beschreibung, aber irgendwie auch zutreffend. Ich hatte das Gefühl hier interessiert sich niemand für irgendwas. Dabei war der Grad zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit ziemlich schmal. Auf den Straßen begegneten uns aber durchweg freundliche, interessierte und hilfsbereite Menschen. Zum Jahresbeginn scheint der gesamte Küstenstreifen von Touristen aus Argentinien überschwemmt zu sein. Die halten auch gerne an. Im hippieverseuchten Osten hab ich mehr Tramper auf den Straßen getroffen, also irgendwo sonst auf der Welt bisher. Schöne Erfahrung. Wir sind eigentlich immer gut voran gekommen und insbesondere zu Zweit findet sich immer ein Pick-Up, der noch freie Ladefläche hat. Seit Syrien nicht mit so vielen Pick-Ups gefahren. Das hab ich sehr genossen, ist wirklich eine der besten Erfahrungen beim Trampen. Bewegung an der frischen Luft.
Uruguay hat aber auch noch ein anderes Gesicht, welches ich nicht wirklich verstanden habe. Trampen ging generell sehr gut und einfach die meiste Zeit. Aber dann kamen immer wieder Tage an denen es wie verhext schien, wo 4-5 Stunden an der Hauptverkehrsstrasse niemand angehalten hat. In Brasilien wusste ich, worauf ich mich einlasse. Da war es einfach durchweg scheiße und schwierig. In Uruguay hingegen sinnst du dich im Tramperhimmel, alles easy um dann von jetzt auf gleich bist du der totalen Gleichgültigkeit ausgesetzt und versauerst an der Straße. Warum, weiß niemand.
Straßen
Verkehr eher langsam. Straßenqualität prinzipiell gut. Im Norden die Ruta 30 ist der absolute Wahnsinn. Schier endlose Wiesen gefüllt mit wenigen Rindern, die dort vor sich hin grasen. Kaum Menschen. Einige Minen. Ansonsten nur Gras, Weide, Rind und Gauchos. Hat mir sehr gut gefallen. Durch Uruguay führen mehrere Autobahnen, alle größtenteils einspurig und direkt am Straßenrand zu betrampen. Richtung Montevideo wird die Straße allerdings schneller und breiter. Insbesondere im Speckgürtel der Stadt ist es relativ schwierig, voran zu kommen. Viel, schneller Verkehr.
Ein Problem ist, dass die Hauptverkehrsstraßen oft mitten über die Marktplätze der Städte verlaufen. Insbesondere im Landesinneren hat noch niemand das Wort „Ortsumgehung“ gehört. Das ist manchmal etwas anstrengend, weil es eines bedeutet: Laufen.
Ansonsten verspricht Uruguay eine unspektakuläre, beruhigende Landschaft. Viel Felder, warm roads und jede Menge alte Autos.
Taktik
Ich glaube irgendwie zu zweit trampt sich Uruguay am besten. Zumindest halten dann mehr Pick-Ups an. Alleine aber auch kein Problem.
Taktisch macht es Sinn den Fahrer immer zu fragen, ob er nicht bis zum Ortsende fahren muss, damit man nicht so weit laufen muss. Am Ortsende hab ich es manchmal wie in Brasilien gehandhabt: Einfach mitten ins nirgendwo marschieren. Mitleidsfaktor einsacken. Ob das hier besser oder schlechter für die Anhaltebereitschaft war, kann ich nicht wirklich sagen. Ansonsten gibt es einige wenige Kreisverkehre, aber für die Positionierung hat Uruguay nichts besonders zu bieten. Normale Straßen, normale Halteflächen. Alles sehr unspektakulär. Sehr gewöhnlich. Daher meine Empfehlung, immer schöne Positionen mit ausreichender Haltefläche und maximal langsamem Verkehr suchen. Standard.
Was noch erwähnenswert ist, dass hier auch Motorräder trampen ganz gut funktioniert. Allerdings nur alleine. Viele haben einen zweiten Helm dabei und einmal hab ich sogar den Helm meines Fahrers bekommen. Versuch lohnt sich!
Fotos
Besonderheiten
Uruguay hat sehr viele alte Autos. Prinzipiell ist es sogar fast verboten Autos zu importieren. Die genaue Gesetzeslage kenne ich nicht, aber auf den Straßen tummeln sich entweder billige China-Nachbauten oder alte Schrottkarren. 2er Golf für 10.000€ sag ich nur. Kann zum trampen ganz lustig sein, hat aber definitiv nicht den Kuba Flair zu bieten.
Die Regierung hat gerade ein neues Gesetz erlassen, was die Mitnahme auf Pick-Up Ladeflächen verbieten. Ist wahrscheinlich das tramperfeindlichste Gesetz, seit dem Trampverbot in einigen US-Bundesstaaten. Ich bin froh da noch einmal ordentliche Pick-Up-Kultur erlebt zu haben. Aber wahrscheinlich schert sich sowieso niemand in Uruguay um dieses Gesetz und Tramper werden trotzdem noch mitgenommen.
Chivito. Sowas wie ein Deluxe Sandwich. Mit einem ordentlichen Stück Fleisch, welches mit Tomate, Salat und Mayo geliefert wird. Da das aber zu langweilig ist, wird auf das Fleisch noch ne Ladung Käse und Schinken sowie ein Spiegelei draufgeknallt. Kann ich nur empfehlen. Wir haben eine Chivito Verkostung in ganz Uruguay gemacht. Den Besten gabs in Tranqueras auf dem Marktplatz in einem silbernen Imbiss-Trailer. Completo mit Fritten natürlich.
Wenn ihr in Uruguay über die Straße lauft, seid auf der Hut. Es werden euch Leute ansprechen, ob ihr Lebensmüde seid, weil ihr in europäischer Manier die Straße betretet, obwohl 50m weiter ein Auto auf euch zu fahrt. Selbst meine Freunde haben sich von dieser Massenhysterie anstecken lassen. In Uruguay bremst niemand für Fußgänger und ihr seid so gut wie Tod, wenn ihr bei ankommendem Verkehr auf die andere Straßenseite lauft. Natürlich ist das nicht die Realität, aber darum geht es auch nicht. Die Menschen haben einfach Angst Straßen zu überqueren, was ich irgendwie lustig finde.
Alfajores sind eine weitere kulinarische Sensation der Region. Das ist ein Gepäck (knusprig oder soft) gefüllt mit einer ordentlichen Ladung Karamellcreme. Den richtigen Alfajor zu finden, ist ungefähr so schwierig, wie die Chivito-Wissenschaft ordentlich zu betreiben. Aber es lohnt sich. Kleine Energiebomben, ein gutes Tramperfrühstück.
Zwischen Kolonia und Buenos Aires ist es möglich mit Booten zu trampen. Hab es selbt nicht gemacht, aber zwei Argentinierinnen getroffen, die das durchgezogen haben.