Vorspiel: Ich hatte mir eine Kamera in Deutschland gekauft und nach Argentinien schicken lassen. Großer Fehler. Hätte ich gewusst was folgt, wäre ich lieber persönlich über den Atlantik zurückgetrampt, um das gute Stück abzuholen. Gekauft, verschickt, sogar das Tracking hat bis Argentinien funktioniert. Die Kamera kam irgendwann am 18.3.2015 in Buenos Aires an. So weit so gut. Mein Kardinalfehler war allerdings, dass ich die Kamera nicht an meine Adresse geschickt habe, sondern zu einer Freundin.
Erster Akt, wir warten auf eine Benachrichtigung. Die erhalten wir aber nicht. Zum Abholen wird eine Vollmacht benötigt, die lasse ich mir ausstellen und mache mich das Erste mal auf den Weg zur Post. Ich muss hier zu meiner Schande gestehen, dass ich das falsche Postzentrum recherchiert hatte. Ergebnis: Sechs Stunden durch Buenos Aires fahren um am Ende 16:18 Uhr vor der richtigen Post zu stehen, die leider schon seit 18 Minuten geschlossen hatte. Das wäre ansich nicht schlimm, wenn nicht Gründonnerstag gewesen wäre und die nächsten beiden Tage Feiertage sind. Ostern. Eine Woche länger in Buenos Aires.
Zweiter Akt, Montag. Ich verlasse meines Gastgebers Haus um früh morgens zur Post zu gehen, die Kamera abzuholen und nach Ushuaia zu trampen. Montag ist leider immernoch Feiertag. Verschlossene Tür, ich Obdachlos (hatte letztendlich aber eine Matratze am Abend angeboten bekommen). Nächster Morgen, etwas verkatert nach 4 Stunden Schlaf um 8:45 Uhr vor der Post. Ca. 30 Leute stehen schon da. Anstehen, reingehen, Karte kriegen und gesagt bekommen, dass meine Vollmacht nicht gültig ist, weil – obacht – die Unterschrift meiner Freundin von einer Bank mit Unterschrift der Bank verifiziert werden muss (obwohl ich eine Personalausweiskopie dabei hatte). Willkommen in Argentinien. Gehts noch komplizierter?
Ich bin dann trotzdem losgetrampt. Meine Freundin hat unterdessen versucht die Kamera abzuholen, ist aber an den Zollgebühren gescheitert. Gestern war ich nochmal da mit Vollmacht (und ihrem Ausweis). Kurzes Gespräch, Missverständnis, einmal reingucken, wieder zukleben und Zöllner erklärt mir, dass Sie persönlich vorbeikommen muss. Es ist meiner außerordentlichen Verzweiflung geschuldet, dass ich einfach stehengeblieben bin und er auf einmal dann doch Englisch sprechen konnte und wir den Fall letztendlich lösen konnten. Kamera da, Ich glücklich. Und dann kam der Regen.... Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um meine Reise nach Ushuaia......
Ich bin mitten in Buenos Aires gestartet, etwas planlos zugegeben. Hab ein paar Autos gestoppt und mich in Richtung Autobahn vorgearbeitet. Halb fünf war zugegeben ziemlich spät und ich hab am ersten Tag nur ca. 200km hinter mich bringen können. Erstmal gezeltet. Am nächsten Tag ging es aber dann richtig los.
Mittwoch der 8. April 2015 ; 09:04
Aufstehen, losmachen. 16 Minuten bis zum ersten Lift. Der Tag beginnt gut. Komme von Las Flores nach Azul, da steht ein Schild: Ushuaia 2856km.
12:10 Uhr
Gaucho sammelt mich auf, spricht sofort Englisch. Netter Kerl. Hätte ich am Anfang gewusst, dass er nur durch den Ort fahren wird, wäre ich wahrscheinlich nicht eingestiegen. Wir machen kurzen halt in seiner Fabrik, irgendwas mit Eisen. Er fragt mich, ob ich schon gegessen habe, hatte ich nicht. Zieht rechts raus und wir finden uns in einem typischen Parilla (Grill) Restaurant wieder. Es gibt gegrillte Schweinekeule und unglaublich leckere Pommes. Danach Abstecher zur örtlichen Zementfabrik, wo er noch versucht eine Truck für mich zu finden.
15:08 Uhr
Ein Chevrolet sammelt mich auf. Er wirft mich 16:21 Uhr in Pringles (ja das heißt wirklich so) raus und sammelt mich 17:09 wieder auf. Das wird mir die nächsten Tage noch öfter passieren. Scheint eine argentinische Eigenart zu sein.
18:40 Uhr
Große Raststätte bei Bahia Blanca. Ich kann schon weitaus besser Spanisch sprechen. Zum Trampen auf jedenfall geeignet. Die erste große Raste in Argentinien für mich. Bin mir jetzt sicher eine gute Nacht vor mir zu haben. Treffe einen anderen Tramper: Argentinier, 17 Jahre, reist halb illegal nach Bariloche (weil nicht volljährig), hat kein Geld und geht ab und zu mal betteln in der Fußgängerzone. Ansonsten aber sehr gepflegt, nicht so verhippt. Er ist auch recht schnell weg.
20:20 Uhr
Kriege einen Lift mit einem VW. Es gibt Mate. Ein Ehepaar. Pick-Up. Er heizt wie blöde. Guter Fortschritt. Leider nehmen die mich (aus mir unerkenntlichen Gründen) nur die halbe Strecke.
21:50 Uhr
Colorado. Treffe meinen argentinischen Freund wieder. Er läd mich auf ein Bier ein. Wir schauen Fußball (Champ. Leauge River Plate) und Essen ein Sandwich (mächtig.). Ich will die Nacht nutzen um voran zu kommen. Er gibt mir noch ein paar schlechte Tips (frag die Lkws), ich ziehe los und habe nach 30 Minuten einen Lift. Erfahrung schlägt Logik. 40km in die Pampa rein zu einem Autobahnkreuz. Der Fahrer wirkt erstaunt und betont mehrmals, dass da absolut Nichts ist. NADA. Jaja, weiß ich. Find ich gut.
Donnerstag der 9. April 2015 ; 00:48 Uhr
Aussteigen. Hier ist ja wirklich nichts. Noch nichtmal Licht. Gefällt mir. Oh da kommt auch schon ein Transporter der abbiegt. Ich renne zur Trampstelle.
00:50 Uhr
Bäm. Lift. Das sind mehr als 200km Nachtlift. Medikamententransport. Ich bin hochzufrieden.
03:05 Uhr
Fahrerwechsel. Die beiden Medikamententransportfahrer tauschen ihre Fahrzeuge. Der eine fährt nach Norden zurück und der Andere nach Süden. Ich darf sitzenbleiben. Mein neuer Fahrer ein ganz freundlicher, zurückhaltender und geordneter Mensch. Redet nicht mit mir und lässt mich schlafen. Hört einen grandiosen Remix aus 90er Jahre Bravo Hits wie Dr. Alban, Haddaway, Culture Beat und anderen Klassikern. Ich fühle mich wie 14.
07:30 Uhr
Sonnenaufgang in Trelew. Sieht schon ein bißchen nach Antarktis hier aus. Keine Bäume mehr. Mondlandschaft. Schön kalt. Und dabei ist das noch nichtmal halbe Strecke.
08:47 Uhr
Trampe mit einem Chevrolet. Der Fahrer transportiert Go-Karts. An der ersten Polizeikontrolle wollen die Beamten wissen, ob ich professioneller Go-Kart Fahrer bin. Wegen meinem Anzug. Haha!
Ansonsten die fahrt etwas anstrengend. Der Fahrer mag nicht, dass ich immer wieder einschlafe. Ich verstehe nicht warum, aber wahrscheinlich, weil er selber hundemüde ist. Immer wenn ich den üblichen Bewusstseinsverlust habe, fängt er an mit mir zu reden, haut gegen das Autodach oder dreht die Musik auf. Sollte nicht der letzte Fahrer dieser Art sein. Da im Südern die Straßen oft hunderte Kilometer stur geradeaus gehen, wird wohl ein professioneller Beifahrer erwartet.
14:50 Uhr
Markus sammelt mich auf. Ein Anwalt. Hab gutes Gespräch mit ihm in Spanisch. Er ist sehr interessiert, fährt eben nur total langsam. Wir machen Pause. Er lässt mich im Auto schlafen. Nach einer Stunde geht es weiter. Ich bin sichtlich ungeduldig und zeige es ihm auch. Die Nacht bricht an.
20:43 Uhr
Markus schon wieder. Wir knallen nach Rio Gallegos. Ankunft wird 23:53 Uhr sein. In den letzten 38 Stunden und 49 Minuten sollte ich 2532km hinter mich gebracht haben. Das ist mein persönlicher Geschwindigkeitsrekord. Weiter geht’s diese Nacht nicht, da die Grenze um 22:00 Uhr zu macht.
Freitag der 10. April 2015 ; 00:00 Uhr
Campieren neben der Polizeistation. Vier junge Polizisten stehen um mich herum. Keine Bäume, kann mein Zelt nur mit Not errichten. Polizist wird notdürftig als Baumersatz eingespannt. Die Anderen lachen. Alle blicken gebannt auf mich und mein Zelt. Die einhellige Meinung zum Aufbau: „Muy difficil.“ (Sehr kompliziert.)
Ich soll nicht in die Pampa laufen, weil es dort Pumas, Füchse und Stinktiere gibt. Riecht auch exakt so. Der Gestank ist wirklich sonderbar aggressiv und derb. Aber das macht den Moment einzigartig.
09:17 Uhr
Eis auf meinem Zelt. Hätten mir die Polizisten nicht noch eine zusätzliche Decke gegeben, ich wäre wohl erfroren. Wenigstens haben sie mich geweckt.
10:55 Uhr
Erstes Auto nach der Grenze hält an. Mehrere hundert Kilometer und 5 Stunden fahrt liegen vor uns.
19:21 Uhr
Ankunft in Ushuaia. Drei Tage. Ich bin zufrieden, wenn man dazu bedenkt, dass ich den ersten Tag in Ushuaia verkackt hatte und dann noch die geschlossene Grenze dazu kam. 3159Km von Buenos Aires nach Ushuaia.
So hab ich es dann auch bis zu meinem ersten großen Checkpoint geschafft. Cap Horn, Südspitze von Südamerika. Das ist für mich persönlich ein gutes Gefühl. Die erste Richtung ist abgeschlossen und nun kann es erstmal ausschließlich Richtung Norden gehen. Sobald ich den Äquator nocheinmal überquert habe, werde ich mich (hoffentlich) nur noch in der nördlichen Hemisphäre für den Rest meiner Reise aufhalten.
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