Es ist Zeit für die Königsetappe. Morgen breche ich zu einer 8000 km Langstrecke auf, die mich von New York nach Prudhoe Bay führen wird. Es ist der wahrscheinlich nördlichste Punkt, den man auf dem amerikanischen Kontinent per Straße erreichen kann. Damit beende ich eine vollständige Durchquerung der amerikanischen Kontinente von Süd nach Nord. Von Ushuaia nach Prudhoe Bay.
Dies wird die bisher längste Strecke sein, die ich an einem Stück trampe. Mein persönliches Filetstück der bisherigen Reise. Ich will einfach nur on the road sein. Die Show genießen. Autofahren. Auf Straßen dahinrollen. Nicht ablenken lassen. Because this is what I love to do!
Ich kalkuliere ca. 10 Tage Reisezeit für diese Passage. Dies beinhaltet auch zwei Nächte Pausenzeit. Durch die extremen klimatischen Bedingungen, werde ich die Strecke nicht voll durchziehen. Ich will mich so schnell wie möglich und so langsam als nötig fortbewegen. Mein 4200 km Testlauf von Calgary nach New York habe ich in soliden 3,5 Tagen bewältigt. Ginge also auch schneller. Aber muss ja nicht.
Der folgende Artikel geht darum, wie man einen Langstreckentrip plant und welche Spezifikas mich auf der New York – Alaska Route erwarten. Gehen wir gemeinsam durch die Route und ich teile meine Gedanken mit euch.
Strategie entwerfen
Das Erste was ihr tun solltet vor einer so langen Tour? Macht einen Plan. Das mag selbstverständlich klingen. Ist es auch. Aber ich will diesen Aspekt trotzdem nochmal betonen! Wir müssen uns bewusst sein, dass die Streckenanalyse der Anfang von allem ist. Wir gehen nicht unvorbereitet auf eine solche Tour. Wir sind ja schließlich keine Hippies (sorry, den konnt ich mir nicht verkneifen).
Also hinsetzen, Route anschauen und planen. Dafür benötigt ihr eine gute Karte. Das ist euer wichtigstes Instrument. Erarbeitet euch eine Idee, wo auf eurer Route die wichtigsten Checkpunkte sind und wo mögliche Probleme auftreten könnten. Gameplan nenne ich das auch.
Als ich von Stockholm nach Leipzig getrampt bin, wusste ich genau: Wenn ich nachts Kopenhagen hinter mir lassen kann, habe ich eine super Position um einen Lift nach Deutschland abzufangen. Ich war ca. 02:00 Uhr an der ersten Raststätte hinter Kopenhagen und hab meinen Nachtlift nach Hamburg bekommen. Läuft. Als ich Lima vor mir hatte, wusste ich genau, dass ich auf keinen fall in diesem Moloch landen möchte, weil es mich sonst mehrere Stunden kosten würde, aus der Stadt wieder heraus zu kommen. Also bin ich vor der Stadtgrenze raus und habe gezielt ein Auto bis zur anderen Seite gesucht. Und gefunden. Hätte nichts anderes genommen in dem Moment. Planvolles Trampen funktioniert. Dazu brauchts aber einen Plan.
Auch während des Trips denke ich permanent über die verschiedenen Optionen nach und ändere ggf. meine Bewegungsstrategie, wenn sich neue Informationen auftun. Das ist übrigens auch ein Grund, weshalb eine Karte so wertvoll ist. Man braucht nicht unbedingt eine Karte zum trampen. Aber für eine gute Entscheidungsfindung schon.
Außerdem müssen wir auf einer solchen Langstreckentour die gesamte Tour im Auge behalten. Manchmal läuft es gut, manchmal läuft es schlecht. Wichtig ist: Nicht den Schlendrian Einzug halten lassen, weil dann bleibt man erst recht stecken und kann nochmal einen extra Tag einkalkulieren. Bei Touren über mehrere Tage braucht ihr einen langen Atem. Wenn es schlecht läuft, weiter versuchen. Wenn es gut läuft, nicht mit der Euphorie davon schwimmen und konzentriert bleiben. Gerade beim Nachttrampen sind Glück und Elend manchmal nahe beieinander.
Route und Städte
Ich kenne die Hälfte der Strecke bereits von meinem Testlauf und habe eine komplette Liste aller 24/7 Tankstellen zwischen Montreal und Calgary. Ich weiß, dass der Transcanadian Highway gut funktioniert und werde nicht die alternative Route durch die USA nehmen, selbst wenn sie mehrere hundert Kilometer kürzer sein mag. Ich schaue lieber nach Langstreckenlifts in Canada. Ich kann hier auf meine gute Erfahrung aus den Testlauf bauen.
Was mich weiter nordwärts und in Alaska erwartet, ist etwas, dass ich nur aus Gesprächen mit Locals und anderen Trampern, sowie aus meinen eigenen Recherchen zusammenbauen kann. Definitiv weniger Verkehr. Der letzte Teil zwischen Fairbanks und Prudhoe Bay wird größtenteils von LKW´s befahren sein. Ich bin mir dessen bewusst. Aber eine gute Nachricht zum Trampen in Alaska: Es gibt ein Gesetz, dass es verbietet jemanden am Straßenrand stehen zu lassen, insofern diese Person in Gefahr sein könnte. Also viele Menschen werden höchstwahrscheinlich anhalten. Wenn Verkehr ist. Und außerdem wird mich niemand in einer gefährlichen Situation aussetzen. Irgendwo im Nirgendwo. Ich vertraue meinen Fahrern.
Städte durchqueren ist generell immer ein potenzielles Problem. Ich hab einige vor mir in Canada. Allen voran Winnipeg hat sich auf dem Hinweg schon als ungünstig zum Trampen herausgestellt. Aber auch Regina, Saskatoon und natürlich Edmonton liegen auf meiner Route. Guter Rat ist einfach: Nicht in der Nacht ankommen, weil man dann wahrscheinlich mehrere Stunden Zeit verliert. Und wenn das passiert, dann muss ich auf jeden fall an einer 24/7 Tankstelle landen, um eine Chance zu haben schnell das nächste Auto zu finden. Allerdings ist nicht jede Tankstelle für jede Richtung geeignet. Ich muss meine Lifts gut auswählen.
Berufsverkehr gilt es ebenfalls zu vermeiden. Ich persönlich halte den Pendlerverkehr am Morgen für eine der schlechtesten Zeiten zum Trampen, weil viele Autos vorbeifahren, aber die wenigsten gewillt sind jemanden mitzunehmen. Wie auch immer, für die Städte gilt: Am besten am Tag ankommen, um genug Zeit zum durchqueren zu haben oder einen Lift zu haben, der mich direkt bis zum anderen Ende mit nimmt.
Klima
Es ist völlig klar, dass Trampen nach Alaska im Januar das Erleben von brutal kalten Temperaturen beinhaltet. Ich rechne mit Kälte bis -35° und einem erbarmungslosen Wind in der kanadischen Prärie, der als eigentliche Gefahrenquelle anzusehen ist. Die kältesten Abschnitte meiner Route werden mich in der Prärie und dem letzten Part nördlich von Fairbanks erwarten. Außerdem kann ich nicht sagen, ob ich in einen Blizzard reinfahre oder das Wetter noch andere kleine Überraschungen bereit hält. Schließlich hab ich ne Menge Land zu durchqueren. Wie auch immer, es wird verdammt kalt. Dieses Klima ist kein Wochenendausflug und lässt auch keine Fehler zu. Ich bin mit dessen vollstens bewusst und habe dementsprechende Vorkehrungen getroffen.
Ich werde jeden Tag das Wetter im Umkreis von 1000 km abrufen und mich natürlich auch mit meinen Fahrern unterhalten, ob Mutter Natur irgendwo um uns herum gerade durchdreht. Ich muss außerdem wissen, ob bestimmte Straßen ggf. gesperrt sind, insbesondere, wenn ich durch die Rockies fahre. Das sieht aber recht flach aus im Norden. Vielleicht werde ich gezwungenermaßen eine Pause von 1-2 Tagen einlegen müssen. Ich hoffe nicht.
Die richtige Ausrüstung ist natürlich ein zentraler Aspekt. Ich arbeite hier mit Schichten. Ich habe eine windfeste Winterjacke, die alleine etwas frisch ist, jedoch von meinem Kollegen noch ein sehr warmes Daunen-Inlet bekommen, dass ich drunter ziehen werde. Daneben natürlich lange Unterwäsche, Longsleeve, zwei Paar Socken (dünn und dick), speziell isolierte Ski-Hosen, -100° Winterstiefel und einen Trapper Hut.
In Kanada leg ich mir noch ein paar qualitativ hochwertige Fäustlinge zu. Darunter zieh ich dünne Fingerhandschuhe. Das ist wichtig, weil man mit Fäustlingen nichts machen kann. Habe ja keine Finger. Manchmal muss man aber etwas anfassen draußen und da ist es gut eine zweite Schichte zu haben, sonst kann man sich schnell mal verbrennen am blanken Metall. Daher besser vorbereitet sein. Baumwolle gilt es generell zu vermeiden im Winter, weil die nur schwer trocknet, wenn sie mal nass ist und das ziemlich ungemütlich werden kann.
Ein andere Punkt der speziell auf dieser Langstreckentour von belang ist: Die Kälte macht prinzipiell müde. Sie zieht einem quasi die Energie aus den Knochen. Ich kann bis ca. -20° draußen campen mit meiner Ausrüstung, aber ich möchte das vermeiden. Ich weiß von meinem Testlauf bereits, dass die Kälte eine zusätzliche Herausforderung wird und den Schwierigkeitsgrad erhört. In Kolumbien oder Mexico konnte ich mich einfach an den Straßenrand in die Sonne legen. Das wird hier nicht mehr möglich sein. Ich muss meinen Energielevel aber im Auge behalten, damit mir auf der langen Tour nicht die Luft ausgeht. Immer das gesamte Projekt im Auge behalten!
Im Allgemeinen kann man auch noch anfügen, dass die Kälte ansich nicht das Problem ist, sondern eher das Warten in der Kälte so anstrengend ist, weil man auskühlt. Aber Wenns gar nicht geht, dann hilft ein bißchen Gymnastik. Oder wie meine russischen Freunde zu sagen pflegen: Gegen Kälte hilft Bewegung. Gegen Müdigkeit hilft schlafen. Logisch.
Tageslicht
Was ebenfalls in Betracht gezogen werden muss, insbesondere im Winter: Die Tage sind bedeutend kürzer. Wenn ich aufbreche, werden in Edmonton ca. 7,5 Stunden zwischen Sonnenauf- und untergang sein. In Fairbanks erwarten mich weniger als 4 Stunden Tageslicht und in Prudhoe Bay scheint gar keine Sonne aufzugehen in dieser Jahreszeit. Ich weiß nicht, wieviel Arbeit die Dämmerung leisten wird, aber ich erwarte lieber nicht zuviel, damit ich nicht enttäuscht werde. Wieso das wichtig ist?
Ihr denkt nun vielleicht, dass Tageslicht wichtig für das Trampen ist, aber ich sehe das nicht als ein Problem. Während meines Testlaufes habe ich ca. 60% der Strecke in der Nacht zurückgelegt. Und ich hatte ein paar wirklich gute Nachtlifts durch Kanada! Manche 700-900km lang. Bewegung in der Nacht ist wichtig und sie funktioniert. Kein Grund zur Sorge.
Was mich allerdings mehr um treibt ist die Tatsache, dass Nachts die Temperaturen extrem abfallen und dies zu einem wirklichen Problem werden kann, insbesondere, wenn man irgendwo ungeschützt in der Wildnis steht. Das ist kein Spaß und nichts was ich riskieren kann. Normalerweise juckt mich das nicht, wo ich bin und zu welcher Tageszeit. Manchmal positioniere ich mich sogar extra an den wirklich dunklen Orten, wenn ich mir dadurch einen schnelleren Lift verspreche. Aber in Alaska wird viel weniger Verkehr sein und das ist keine adäquate Herangehensweise.
Strategie
Ihr habt nun alle meine Gedanken zur Route. Wie gehen wir diese Mission also am besten an? Es ist recht einfach. In den letzten 14 Monaten bin ich meist klassisch getrampt, was heißt: Daumen raus und an der Straße stehen. In Deutschland und Europa hab ich meistens an Tankstellen gefragt, weil das so einfach ging und ich mich fast so schnell fortbewegen konnte, wie wenn ich selber gefahren wäre. Und zu dieser Variante werde ich nun zurückkehren.
Grundsätzlich werde ich mich an den 24/7 Tankstellen entlang hangeln und die ankommenden Autos anpeilen. Wer in Europa trampt, der wird wissen wovon ich rede. Man bewegt sich von Kontrollpunkt zu Kontrollpunkt (hier die 24/7 Tankstellen). Es geht hier einerseits darum eine sichere Position zu haben (Kälte), aber auch mehr Kontrolle über meine Lifts zu erhalten. An der Straße kann man manchmal nicht schnell genug Informationen austauschen, fährt dann einfach mit und merkt am Ende, dass dieser Lift euch an eine ungünstige Position bringt. Solche Fehler will ich in jedem fall vermeiden.
Außerdem mag ich einfach die Kanadier. Im Gegensatz zu den Amis macht es wirklich Spaß mit Ihnen zu reden, man kriegt immer eine nette Unterhaltung hin und die sind viel freundlicher und nicht so ängstlich wie ihre Nachbarn. Außerdem kann ich so die Nummernschilder im Auge behalten und Langstreckenpendler rausfischen, die in Kanada auf jeden fall herumfahren. Ich hoffe auf Weihnachts- und Neujahrheimkerer. Sagen wir mal von New York nach…..Alaska? 🙂
Ich werde keine Trucker ansprechen, bevor ich nach Alaska reinkomme. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist einfach zu klein. Erst wenn ich in wirklich abgelegenen Regionen bin, werde ich diese Zielgruppe einbinden. Vielleicht werde ich während des Tageslichts auch die Chance wahrnehmen direkt am Highway zu trampen und den ganzen Verkehr mitzunehmen, aber das werde ich spontan entscheiden. Mein genereller Ansatz ist jedoch mich zwischen den Raststätten zu bewegen.
Ich hab nicht vor hier einen weiteren Roadtrip Bericht zu schreiben. Wer will kann mir allerdings auf Facebook folgen. Dort werde ich meine Position und regelmäßige Statusupdates mitteilen. In diesem Sinne einen guten Rutsch an euch und (hoffentlich) warmroads für mich! 🙂
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