Der folgende Artikel befasst sich mit der Technik des Nachttrampens. Nach einer Einführung mit geschichtlichen und allgemeinen Informationen fokussieren wir uns vor allem auf die Punkte Equipment und Technik, im Sinne von Verhalten. Unter Nachttrampen verstehen wir hierbei das Anhalten von Autos in der Dunkelheit.
Einführung
Die Technik des Nachttrampens ist eng verbunden mit der Entstehungsgeschichte des Sporttrampens. Alexej Vorov hat uns mal in einem Vortrag erläutert, dass Sporttrampen seinerzeit entstanden ist, weil sie angefangen haben ihre Bewegung zu analysieren. Damals wusste er noch gar nicht, dass Trampen überhaupt existiert. Autostop, wie die Russen sagen, war einfach nur eine Art in die Natur zu kommen, damit sie Ski-Fahren oder Bergsteigen konnten. Irgendwann fiel auf, dass zu bestimmten Tageszeiten und an bestimmten Orten die Mitnahmebereitschaft höher war. Begin der Analyse. Und schließlich stand die Erkenntnis, dass Bewegung in der Nacht ebenfalls möglich ist. Die Grundlage des Sporttrampens war geschaffen.
In Europa ist Nachttrampen aufgrund der gut ausgebauten Autobahnen und Raststätten kein Problem. Ich persönlich würde sogar behaupten, dass das Trampen in der Nacht bisweilen sogar besser funtkionieren kann, da die Autobahnen leer sind und der Anteil an Langstreckenlifts weitaus höher ist, als am Tag. Insbesondere bei Mittelstrecken ab 1000-1500 km lohnt es sich in der Nacht wach zu bleiben und auf ein weiteres Auto zu warten. Meist habe ich Menschen an der Raststätte angesprochen. Man kann aber auch Autos mit Handzeichen anhalten und es funktioniert.
Bevor wir anfangen noch ein paar Worte zur Gefährlichkeit des Nachtrampens. Ich denke das Bedrohungspotential in der Nacht ist nicht wesentlich höher. Dazu sollte aber auch in Betracht gezogen werden, dass wir uns mit Bewegung an und auf der Straße befassen. Es sind bei Dunkelheit einige Dinge zu beachten, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden und sich selbst, wie den Fahrer nicht zu gefährden.
Was aber im allgemeinen mit Gefährlichkeit beim Trampen gemeint ist, bezieht sich wohl eher auf Mord und anderer Gewaltdelikte. Und da sind wir wieder beim Punkt: Straßen. Ich bin prinzipiell der Meinung, dass die Straße sicherer ist, als viele Glauben (dank der Reichweite von Aktenzeichen XY-ungelöst und diversen unfundierten Aussagen der Ordnungsbehörden bezüglich des Trampens). Anders verhält es sich da bei Städten, aber die sollten beim Trampen sowieso gemieden werden. Ich will auch nur sagen, dass ich weder Trampen, noch ich speziellen Nachttrampen für so gefährlich halte, als dass ich irgendeinem Menschen davon abraten würde.
Am Wichtigsten ist: Nachttrampen eröffnet viele neue Möglichkeiten der Bewegung. Erstmal muss ich nicht mehr zwingend früh aufstehen, sondern kann starten WANN IMMER ich möchte. Darüber hinaus ist auch die Gepäckfrage entscheidend davon beeinflusst, ob ich nun noch ein Zelt oder dergleichen einpacken muss, weil ich irgendwo übernachte oder eben die Dunkelheit als „zweite Halbzeit“ nutze, um an meinen Zielort zu kommen.
In unseren Sporttrampen-Wettkämpfen sind wir außerdem darauf angewiesen, die Dunkelheit auszunutzen, weil wir sonst unsere Routen nicht bewältigen könnten. Und ich kann sagen, es funktioniert!
Equipment
Die richtige Ausrüstung fürs Nachttrampen ist unabdingbar und das meine ich jetzt nicht nur aus pseudo-väterlicher Fürsorge, sondern auch, weil eine gute Vorbereitung Sicherheit (auch im Sinne von Selbstsicherheit) vermittelt, die für das Stoppen in der Nacht nötig ist. Prinzipiell geht es aber erstmal um die Verminderung eines Unfallrisikos. Und wer schonmal selber Auto gefahren ist und des Nachts auf der Landstraße Fahrradfahrer ohne Licht oder ein paar dunkel gekleidete Wanderer erblickt hat, der kann vielleicht verstehen, dass Sichtbarkeit das A und O ist.
Wir haben hierzu unsere Tramperanzüge. Die sind auf Sichtbarkeit konzipiert und erfüllen bei Einbruch der Dunkelheit ihren eigentlichen Zweck. Helle Kleidung tut es natürlich auch. Es ist wichtig, dass nicht nur eine helle Jacke oder nur eine helle Hose getragen wird. Das Grundprinzip des Anzuges ist, dass die komplette Silhouette eines Menschen sichtbar wird. Der Fahrer wird so schneller reagieren können und muss nicht erst über das komische Objekt ohne Beine nachdenken.
Zweites wichtiges Accessoire ist Beleuchtung. Hierbei gibt es zwei verschiedene Arten von Beleuchtung. Aktiv und Passiv:
Aktive Beleuchtung bezeichnet eine aktive Lichtquelle. Wir nehmen hierzu Kopflampen mit „remote control“. Das ist recht wichtig für das Geben von Lichtzeichen, wie ich weiter unten noch erklären werde. Außerdem haben wir noch einen externen Batteriepack, der in besonders kalten Gebieten (ab -20°) am warmen Körper getragen werden kann, um einem Sterben der Batterien zuvorzukommen. Unsere Lampen sind prinzipiell so stark, dass bei voller Beleuchtung die meisten Autofahrer ihr sinnloses Fernlicht von alleine abblenden, was für mich als Tramper recht angenehm ist. Meine Lampe ist meine einzige Waffe in der Nacht.
Passive Beleuchtung bezieht sich beispielsweise auf Reflektoren. Die Russen benutzen einerseits einen Reflektor für die Hand, welcher zur Zeichengebung eingesetzt wird. Ich persönlich verzichte darauf meistens, da es für mich zusätzliches Gewicht ist und ich mir nicht sicher bin, ob dieser Reflektor wirklich von nöten ist. Vielleicht macht mir das Trampen damit aber auch einfach nicht soviel Spaß. Was wirklich wichtig ist, sind unsere Stulpen mit Reflektionsflächen an der Vorder- und Rückseite. Die Reflektorstreifen sind an den Schienbeinen angebracht, da das meiste Scheinwerferlicht auf den Boden fällt und so die beste Reflektion gewährleistet wird. Wenn nicht gerade das Fernlicht an ist und ich meine Kopflampe wieder auf die höchste Stufe hochfahren muss.
Das war es eigentlich im groben. Sichtbarkeit ist das wichtigste. Helle Kleidung, aktive und passive Beleuchtung.
Technik
(teilweise übernommen aus http://autostop.lt/old/faq/night.html)
Allgemeines
Wie auch am Tag gilt für die Positionierung im Idealfall: langsame Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Autos, eine ausreichende Haltefläche sowie gute Sichtbarkeit. Insbesondere die gute und rechtzeitige Sichtbarkeit ist in der Nacht hier sehr wichtig. Wenn ihr kein entsprechendes Equipment habt, ist es dringend anzuraten sich eine hell erleuchtete Position zu suchen! Denkt auch dran das Licht der Straßenlaterne von vorn zu haben und nicht in eurem Rücken, da der Fahrer sonst nur eine Kontur erkennen kann, aber nicht euer Gesicht, was tendenziell suboptimal wirkt.
Ein weiterer Punkt für die Positionierung ist einen Ort zu finden, an welchem sich der Fahrer sicher fühlt. Insbesondere während des Anhaltens und dem ersten Gespräch ist dies wichtig. In der Nacht kann es passieren, dass Menschen zwar anhalten, dann aber doch Angst bekommen und weiterfahren. Verwinkelte, enge Straßenecken oder buschige Abschnitte eignen sich eher weniger. Ich achte bei meiner Positionierung darauf, dass mein Umfeld gut sichtbar ist und der Fahrer keine Angst vor „ungewollten Freunden“ haben muss. Prinzipiell stelle ich mich lieber mitten in die Dunkelheit der Natur, wenn ich die Wahl habe. Siedlungen machen das Nachttrampen manchmal etwas mühselig.
Noch wichtiger als beim Trampen am Tag ist ebenfalls, ausreichend Fläche neben sich zu haben und gegebenenfalls Platz für einen Schritt zur Seite zu haben. Falls man doch mal nicht gesehen wird. Ich kann nur nochmal wiederholen, dass Nachttrampen ohne entsprechendes Equipment nicht anzuraten ist, da es nicht effektiv ist und darüber hinaus noch gefährlich werden kann.
Trampverhalten bei Nacht
Die folgende Technik haben wir von unseren russischen Sporttramperkollegen erlernt und erfolgreich angewandt. Am Wichtigsten für die Kommunikation ist ein wiederkehrender Lichtimpuls.
(1) Wenn das Auto am Horizont erscheint, gebe ich ein erstes kurzes Lichtsignal mit meiner Lampe, damit der Fahrer bemerkt, dass da etwas ist.
(2) Diesen Lichtimpuls wiederhole ich nach 3-5 Sekunden, wenn das Fahrzeug sich mir weiter nähert (lange Gerade sehr wichtig!). Im Normalfall wird das Fahrzeug jetzt schon die Geschwindigkeit drosseln und gegebenenfalls Fernlicht anmachen.
(3) Wenn das Auto kurz aufblendet, blende ich manchmal zurück, um mit Lichtzeichen zu kommunizieren.
(4) Nun kommt der kritische Moment, wenn das Auto sich nähert und der Fahrer sich fragen wird, was zur Hölle du da am Straßenrand machst. In diesem Falle solltet ihr ihn mit einer ruhigen und freundlichen Geste die Möglichkeit zum Anhalten offerieren. Es ist wichtig, dass ihr selbst in diesem Moment absolut selbstsicher seid und daran glaubt, dass der Fahrer anhält. Zweifel oder gar Verzweiflung und Frustration, die sich Nachts oft dazu gesellen, sind hier keine erfolgversprechenden Grundhaltungen.
(5) Wenn das Auto anhält, sollte die Kopflampe besser ausgemacht werden, um die Insassen nicht zu blenden. Alternativ kann man die Lampe auch auf sich selbst richten. Insbesondere beim herantreten an die Fensterscheibe lasse ich jedoch meine Lampe noch angeschaltet, damit meine Bewegungen sichtbar sind. Im Normalfall bewege ich mich langsam und ruhig, um niemanden zu erschrecken.
(6) Danach freundliche Konversation und gegebenenfalls einsteigen.
Menschen
Es gibt Nachts eine besondere Sache. Der Anteil an Freaks auf der Straße ist wesentlich höher. Ich hatte während des Nachttrampens regelmäßig absolut interessante und freakige Personen, die mich aufgelesen haben. Kalle, der Ex Bahnangestellte, der mir vom „Gulasch-Sammeln“ erzählt hat, wenn sie mal wieder einen Selbstmörder vom Zug gekratzt haben. Andreas der Ukrainer, welcher schon über 60 Stunden wach war und direkt von der Krim kam. Sallah aus Marokko, Dönerbudenbesitzer in Berlin mit einem endlosen Repertoire an Geschichten und auch Vitali aus Rumänien, der nur einen 500€ Schein dabei hatte und damit an keiner Tankstelle zahlen konnte, sodass wir mehrmals fast ohne Benzin auf der Autobahn steckengeblieben wären. Es gibt noch viele mehr dieser Menschen in meinem Kopf und alle haben mir Langstreckenlifts in der Nacht gegeben. Fetzt einfach!
Müdigkeit
Als letztes möchte ich noch ein Thema anschneiden, was speziell für Lifts in der Nacht gilt. Es kommt nicht selten vor, dass ihr bei Leuten einsteigt, die schon 1-2 Tage auf der Straße sind, mehrere tausend Kilometer in den Knochen haben und fürchterlich übermüdet sind. Es ist mir nicht nur einmal passiert, ob ihr dort mitfahrt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Klar ist allerdings, wenn der Fahrer total übermüdet ist, solltet ihr wachsam bleiben und besser nicht schlafen (was den Fahrer nur noch schläfriger macht). In Chile oder Süd-Argentinien ist auch deshalb eine so freundlich Tramperkultur, weil Leute mitnehmen als Möglichkeit angesehen wird, auf den langen endlosen Geraden nicht einzuschlafen (und dies auch in der Fahrschule vermittelt wird). Gegebenenfalls eine längere Konversation aufrecht erhalten und euch immer wieder über seinen Zustand versichern. Fragen ob er eine Pause brauch, ob er noch fit ist und vielleicht auch, ob ihr in ablösen sollt.
Ansonsten sind hilfreiche Tips gegen schlafen: Kühle Temperaturen im Auto. Kaugummi kauen. Musik hören. Viel Wasser trinken und koffeinhaltige Getränke meiden, da diese zwar erst aufpuschen, mittelfristig aber müde machen. Am Ende hilft gegen Müdigkeit aber vorallem nur eines: Schlafen.
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